Der Staubozean
Gründer lehnten unorthodoxe Drogen generell ab. Klar, wahrscheinlich wußten sie von Anfang an über das Flackern Bescheid. Sie waren verschroben, aber sie waren nicht dumm.«
»Du meinst, wir haben diesen Mistkerl ganz umsonst mit einer ganzen Flasche Flackern gefüttert?« sagte Calothrick. Er war bleich geworden.
»Ich bin mir nicht sicher. Ich bin kein Chemiker.«
Ich tat es. »Was ich über seine mögliche Gefährlichkeit gesagt habe, gilt natürlich immer noch.«
»Sei still.« Calothrick zog seine Pipette heraus, hielt die Flasche schräg und saugte eine minimale Dosis ab. »Vermutlich bin ich ein Idiot, das zu tun.«
»Das hast du gesagt, nicht ich.«
»Auf der anderen Seite … also, auf das tranige Glück.«
Calothrick drückte einen Spritzer auf seine Zunge. Er schluckte.
Wir warteten. »Irgendeine Wirkung?« fragte ich schließlich.
Calothrick öffnete den Mund, würgte aber an den Worten. Schließlich stieß er ein gepreßtes »Hoii!« aus.
»Wenn es so gut ist, nehme ich mir wohl selbst auch einen Schuß. Leih mir deine Pipette.« Ich pflückte sie aus seinen kraftlosen Fingern. Eigentlich hätte ich abwarten müssen, ob Calothrick irgendwelche nachteiligen Nebenwirkungen zeigte, aber ich litt Schmerzen. Außerdem schien es ihm ungeheuer gut getan zu haben. Auf seinem Gesicht war ein eingefrorenes Grinsen eingeprägt, und die gelbe Entzugsfärbung schwand bereits aus seinen Augen. Ich saugte eine normale Dosis aus der Flasche und schluckte.
Als ich wieder vom Boden aufstand, war das Essen kalt geworden, und ich mußte es aufwärmen. Aber das war die Sache wert gewesen.
Mit dem Inhalt der Flasche war ich ziemlich zufrieden. Er reicht gut fünf Monate für einen Mann, vielleicht zwei Monate für Calothrick und mich. Calothrick war so etwas wie ein Enthusiast.
Ich versteckte die Flasche im Schrank. Am Abend, als ich mit dem Abspülen fertig war - oder besser mit dem Abkratzen, ich benutzte Sand, kein Wasser -, rang ich mit mir wegen einer zweiten Dosis. Ich beschränkte mich fast immer auf eine pro Tag, meistens kam ich sogar mit weniger als das aus. Oder doch zumindest sehr oft. Manchmal hörte ich sogar zwei oder drei Wochen ganz auf. Aber dann schoß mein Alkoholkonsum in die Höhe, und da ich von einem Grenzplaneten wie Bunyan kam, wußte ich um die schwächenden und suchterzeugenden Wirkungen von Schnaps. Über die Langzeitwirkungen von Flackern war ich mir nicht im klaren. Aber besser ein Teufel, den man nicht kennt, als einer, den man nur zu gut kennt, dachte ich. Außerdem verlangte die neue Entdeckung geradezu nach einer Feier. Enthaltsamkeit war lächerlich.
Ich nahm meine Pipette aus ihrem Versteck unter der Anrichte und maß eine gesunde Dosis ab - vielleicht war sie mehr als gesund. Ich schaltete die Lichter in der Küche aus, legte mich auf meine Matratze, zog die Steppdecke bis ans Kinn und nahm den Schuß. Ich hatte gerade genug Zeit, die Pipette unter mein Kissen zu stecken, als es lostobte.
Die Dunkelheit wurde von Halluzinationen erfüllt. Elektrische blaue Netzgitter breiteten sich über mein Gesichtsfeld aus. Sie wurden von glitzernden silbernen Punkten ersetzt, die in unentwirrbaren, unerklärlichen geometrischen Mustern miteinander verknüpft waren. Strahlende Energie saugte sich mein Rückgrat empor. Ich spürte, daß mein Gehirn dabei war, sich aufzulösen.
Irgend jemand trat über mich. Eine plötzliche Überzeugung überkam mich - es war der Todesengel. Panische Angst erfaßte mich. Ich kämpfte sie nieder, indem ich innere Mantras wiederholte: Seelenruhe, Friede. Ruhe. Stille …
Derselbe Jemand zog die Schrankschublade auf. Das Geräusch war so laut wie ein Pistolenschuß. Und jetzt akustische Halluzinationen, Echos, fremdartige Stimmen sprachen. Ich kämpfte darum, mich unter Kontrolle zu bekommen. Es war absolut sicher, daß jemand in der Küche war. Ich versuchte, mich auf einem Ellbogen aufzustützen; Schwindelgefühl überkam mich. Hilflos grinsend sank ich auf das Kissen zurück.
»Ist da wer?« versuchte ich zu sagen, aber als die Worte herauskamen, klangen sie wie seltsam nuschelig. Ich war hilflos.
Ich hörte das verzerrte Tapsen von Füßen auf der Treppe. Die Luke schlug auf. Sie schloß sich wieder.
Plötzlich wurde mir klar, daß es Calothrick gewesen sein mußte, der wegen einer zweiten Dosis heruntergekommen war und mich nicht wecken wollte. Vor meinem geistigen Auge tauchte das Bild Calothricks auf, ganz erkennbar er, auch wenn sein schmaler
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