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Der Staubozean

Titel: Der Staubozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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besitzt ein unangenehmes Klima und strahlt das überwältigende Gefühl der Existenz von tausend Meilen festen Felsens aus. Ich habe kaum Zweifel daran, daß die Wahl dieses Orts als Zentrum für Religion und Regierung eine nachdrückliche Wirkung auf den nullaquanischen Charakter gehabt hat.« Desperandum seufzte und faltete seine Hände über dem Bauch zusammen.
    »Nun ja, Sir, wenn wir also die Vorteile dieses Umwegs erwägen«, sagte ich, als eine Unbehagen verbreitende Stille wie auf verkrüppelten Füßen durch den Raum gehumpelt kam. »Mir fallen nur zwei ein. Erstens: Kenntnisse über die Anemonen-Population; zweitens: eine Entscheidung darüber, was mit Ihrem kleinen Findling zu tun ist. So wie ich es sehe, birgt der erste Punkt Gefahren sowohl für die Besatzung, als auch für die wildlebenden Lebewesen. Und was den zweiten angeht, tja, das hängt von der Seltenheit dieser Geschöpfe ab. Und da Sie an einem einzigen Tag mit einem einzigen Netz eines gefangen haben, kann ich kaum glauben, daß sie wirklich sehr selten sind.
    Und dann noch etwas. Wir nähern uns jetzt Ausdauer. Es wäre doch einfach, dort anzulegen und die Kirche aufzusuchen, um eine spezielle Expedition loszuschicken.«
    Desperandum blickte mich wie versteinert an. »Das habe ich vor vier Jahren versucht. Sie haben mir höflich zugehört und mich dann nach meinem Akademiediplom gefragt.«
    Zuerst wollte ich mich entschuldigen, entschied mich aber dann dagegen. Das hätte nur das Minderwertigkeitsgefühl des Kapitäns und seinen eigenen Abscheu vor seinem Mangel an akademischen Qualifikationen gesteigert. »Ihre Argumente sind gut, aber überzeugt haben sie mich nicht«, sagte Desperandum. »Wir werden die Bucht erforschen.«
    Das hatte ich erwartet.
    Die Crew zeigte keinerlei Überraschung, als der Befehl ausgegeben wurde, nach Norden gegen den Wind zu kreuzen. Es war nicht ihre Sache, über die Gründe nachzudenken. Außerdem waren sie zu dieser Zeit wahrscheinlich gar nicht in der Lage dazu.
    Später lehnte ich über die Steuerbordreling und blickte auf die Schichten schroffen Felsgesteins, das sich in zerklüftetem Stufen zur Oberfläche des Planeten erhob. Es war ein trockener, heller Morgen, wie alle nullaquanischen Morgen. Die Monotonie setzte mir zu. Ein kühler Windstoß, ein dichter Nebel oder ein wilder Hagelsturm wären eine Erleichterung gewesen. Meine Stirnhöhlen machten mir Ärger; meine rissigen, juckenden Hände waren glitschig von einer unangenehmen Salbe, die der erste Maat mir gegeben hatte. Ich mochte die Salbe nicht besonders. Unten in der Küche, wo ich meine Maske abnehmen konnte, stank sie.
    Ich hörte das Kratzen von Dornen an einem Eisengitter. Die Anemone war mit Hilfe von Desperandums Hätschelkost schnell gewachsen, als könnte sie es gar nicht erwarten, in ein fortpflanzungsfähiges Alter zu kommen und ihrer Spezies bei dem versprochenen Comeback behilflich zu sein. Sie schien sich in ihrem Bottich beengt vorzukommen und zog wiederholt an dem Gitter, als stärke sie ihre Kräfte.
    Dalusa war auf Erkundungsflug; sie versuchte, den schmalen Einlaß in die Glimmerbucht auszumachen. Desperandum benutzte Luftbildkarten des Kraters, die von dem ersten Kolonisierungsschiff hergestellt worden waren. Sie waren fünfhundert Jahre alt. Damals hatte die Glimmerbucht noch gar nicht existiert.
    Ich sah, wie Dalusa flügelschlagend aus Nord-Nordwesten herankam. Sie ging präzise im Krähennest nieder, ließ das Horn ertönen, um die Besatzung zu alarmieren, und sprang ins Leere. Sie fiel in einer präzisen Parabel und öffnete ihre Schwingen mit lautem Knallen, knapp bevor sie sich die Rippen an der Reling brach. Ihr machte das Vergnügen.
    Dalusa flog schnell davon, bis sie ein weißer Fleck vor dem dunklen Hintergrund des Felsens war. Dort erwischte sie einen Aufwind und kreiste, während die Lunglance träge hinter ihr herkreuzte.
    Als wir ein gewaltiges Vorgebirge aus herabgestürzten Felsen erreichten, schwebte Dalusa um es herum und auf das Meer hinaus. Plötzlich schoß sie nach Süden. Wild schlug sie mit den Flügeln, kam aber nicht voran, wie ein Schwimmer in einer starken Strömung. Ein starker Wind hatte sie gepackt. Dalusa drehte sich in den Wind. Sie kam immer noch nicht voran, begann aber Höhe zu gewinnen. Das Schiff segelte näher heran. Jetzt konnte ich in dem Staub-Luft-Zwischenbereich einen dünnen, graupeligen Nebel sehen. Es gab keine Wellen.
    Dalusa schien zu ermüden. Sie gewann weiter an Höhe, wurde

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