Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis
mir nur begrenzte Zeit, um mich davonzuschleichen und mich mit verbotenen Texten zu beschäftigen.«
»Dann gib deine Studien im Tempel auf! Du hast mir ohnehin schon erzählt, dass deine magischen Fähigkeiten die deiner Lehrer bei weitem überschreiten.«
»Ich muss weiter so tun als ob, oder sie werden mich verdächtigen. Wie du schon sagtest, meine Lehrer wären überrascht über die Magie, die ich heraufbeschwören kann.«
Gareth knöpfte sein Hemd an Hals und Brust auf, zog den Stoff zurück und entblößte Brust und Bauch.
Bei diesem Anblick wich Dagnarus zurück. Er griff nach einer Serviette und bedeckte rasch Nase und Mund.
»Verflucht, Fleck! Was für eine scheußliche Krankheit hast du dir da eingefangen? Und wie kannst du es wagen, mich der Ansteckungsgefahr auszusetzen?«
Gareths Haut war mit Abszessen und Eiterpickeln bedeckt, einige ausgetrocknet, einige frisch und saftig und mit Tuch verbunden, damit der Eiter nicht durch die Kleidung drang. Mit grimmiger Miene schälte er das Tuch ab und biss sich auf die Lippen, als der Stoff den Rand der Abszesse berührte.
»Das ist keine Seuche, Euer Hoheit«, erwiderte Gareth. »Und ich bin auch nicht ansteckend. Davor braucht Ihr keine Angst zu haben.«
»Was ist es denn sonst?«, wollte Dagnarus wissen. Nun senkte er die Serviette vorsichtig wieder, hielt aber weiterhin Abstand.
»Magie der Leere«, sagte Gareth. »Anders als die Magie, die als ein Segen von den Göttern gewährt wird, kommt die Magie der Leere aus unseren finstersten Anteilen. Diese Abszesse sind nur der körperliche Ausdruck dessen, dass ich mich damit beschäftige. Niemand weiß so recht, wieso es geschieht. Ich bin der Ansicht, es ist ein Versuch des Körpers, sich gegen die Leere zu stellen, sein Versuch, meinen Geist davon zu überzeugen, mich von der Finsternis abzuwenden.«
»Bedecke dich wieder!« Dagnarus wandte angewidert den Blick ab. »Von diesem Anblick wird mir übel. Ich habe gesehen, wie Arme oder Beine abgehackt wurden, und das hat mich nicht gestört, aber ich hasse Krankheit. Du weißt das. Was ist über dich gekommen, es mir so vorzuführen?«
»Ich erleide nur, was die Leere mir auferlegt«, sagte Gareth und knöpfte sein Hemd wieder zu. »Dies sind die Opfer, die ich bringen muss, um mir meine Magie zu verschaffen.«
»Und was willst du mir damit sagen?«, wollte Dagnarus wissen, trank rasch seinen Kelch leer und füllte sich nach. »Du willst doch nicht behaupten, dass ich ebenfalls Geschwüre bekommen werde wie diese da?«
Gareth antwortete nicht sofort. Stattdessen fragte er: »Wenn man Euch als Paladin vorschlägt, müsst Ihr Euch den Sieben Prüfungen unterziehen. Wie wollt Ihr sie erfolgreich bestehen?«
»Ich habe keine Ahnung.« Dagnarus zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, um was es dabei geht. Aber sie können nicht allzu schwierig sein, wenn mein Bruder sie bestanden hat.«
»Ich habe mich mit ihnen beschäftigt, und eins weiß ich –
Ihr
werdet sie nicht bestehen können. Nicht ohne Zuflucht zur Leere zu nehmen«, schloss Gareth.
»Traust du mir so wenig zu?«, fragte Dagnarus, und seine Augen blitzten gefährlich.
»Werdet Ihr die Geschwüre von Aussätzigen verbinden?«, entgegnete Gareth. »Geschwüre wie die, die ich habe?«
»Ihr Götter, nein!« Dagnarus verzog das Gesicht. »Warum sollte ich?«
»Um Euer Mitgefühl zu beweisen. Werdet Ihr stundenlang mit den Ehrenwerten Magiern an einem Tisch sitzen und über die Wahrscheinlichkeit einer Seelenwanderung diskutieren?«
»Das erfindest du doch nur!«, protestierte Dagnarus, lachte und trank mehr Wein.
»Ich meine es vollkommen ernst.«
»Also gut, nein, das würde ich nicht tun. Ich würde ihnen stattdessen einen Vortrag über Taktik halten.«
»Damit hättet Ihr schon zwei Prüfungen nicht bestanden.«
»Ich werde nicht versagen. Wenn es notwendig ist, dann werde ich mich an die Leere wenden und sie anflehen, dass sie mir hilft«, meinte Dagnarus unbeschwert und füllte sich mehr Wein nach.
»Die Leere verlangt Gegenleistungen für ihre Dienste, Euer Hoheit«, sagte Gareth flehentlich. »Die Leere verlangt Opfer. Wenn Ihr nichts gebt, werdet Ihr auch nichts erhalten.«
»Dann werde ich etwas geben«, erklärte Dagnarus mit gerunzelter Stirn, und wieder stand dieses Glühen in seinen Augen.
»Was geben?«, bohrte Gareth nach. »Was würdet Ihr denn opfern wollen?«
»Was immer es braucht, solange ich nicht verunstaltet werde«, sagte Dagnarus ungeduldig. »Ich will Paladin
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