Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis
war der Anblick dieses selbstzufriedenen Lächelns, das mir die Willenskraft gegeben hat, gegen die Götter anzukämpfen. Inmitten des Feuers habe ich mich an die Leere gewendet. Ich trat in die Finsternis ein, und in ihrem Vakuum erstarben die Flammen. Und die Leere hat mich belohnt! Sie hat mich zu etwas Besserem gemacht als einem Paladin. Zu etwas Besserem als die Geschöpfe meines Vaters.«
»Paladin der Leere«, murmelte Gareth.
»Ich spürte ihre magische Kraft in mir, ganz ähnlich, wie eine Frau neues Leben in sich spürt – zumindest nehme ich an, dass es sich so anfühlen muss«, fuhr Dagnarus begeistert fort. »Die Macht ist noch frisch, aber sie wird mit jedem Augenblick, der vergeht, größer.«
»Ihr werdet sie brauchen, um Lord Mabreton zu entkommen«, stellte Gareth finster fest.
»Ha!« Dagnarus lachte. »Er ist auf der falschen Spur. Er und seine Männer sind inzwischen vermutlich schon auf halbem Wege nach Tinnafah.« Er gähnte und reckte sich. »Ihr Götter! Ich bin erschöpft! Ich werde mich eine Stunde oder so zu Valura legen.«
Er starrte seine gerüsteten Arme an, den schwarzen Brustharnisch. »Wo wir gerade vom Schlafen reden… was mache ich mit dieser seltsamen Rüstung? Sie ist bequem – ich kann kaum spüren, dass ich sie trage. Sie scheint ein Teil von mir zu sein, wie meine Haut oder die Fingernägel. Dennoch, ich brauche sie doch nicht Tag und Nacht zu tragen, oder?«
»Euer Bruder Helmos und die anderen Paladine haben ein magisches Amulett, das ihnen von den Göttern gegeben wurde, Euer Hoheit«, sagte Gareth. Auch er war plötzlich müde, aber er hatte Angst zu schlafen. Jedesmal, wenn er die Augen schloss, sah er vor sich den Prinzen, wie er sich im heiligen Feuer wand. »Die Berührung des Amuletts und ein kurzes Gebet an die Götter bewirken, dass die Rüstung erscheint.«
»Ich bezweifle, dass mir ein Gebet an die Götter jetzt sonderlich helfen würde«, meinte Dagnarus trocken. »Glaubst du, es hätte irgendeinen Sinn, zur Leere zu beten?«, fragte er zweifelnd.
Gareth seufzte und schüttelte den Kopf. »Nein, Euer Hoheit. Die Leere gibt nicht bedingungslos, wie es die Götter tun. Die Leere nimmt zunächst, dann gewährt sie etwas. Ihr habt ihr Eure Seele gegeben. Die Leere hat Euer Opfer angenommen und Euch mit erneuertem Leben belohnt, mit der Rüstung und mit deren magischer Kraft.«
Gareth betrachtete die Rüstung genauer. Sie bildete den Körper nach. Er konnte die Umrisse des Brustkorbs sehen, Muskeln, Sehnen und Knochen. Inmitten des Harnischs, über dem Herzen, befand sich ein Emblem. Es war schlicht gehalten – vier Mandalas für die vier Elemente. In ihrer Mitte war ein einzelner schwarzer Punkt zu sehen, dunkler als die Rüstung selbst, dunkler als die Nacht.
Gareth zeigte darauf, gab aber Acht, die Rüstung nicht zu berühren. »Dieses Zeichen, Euer Hoheit. Seht es Euch an.«
Dagnarus spähte nach unten. »Ich erkenne es wieder!«, sagte er leise und ehrfürchtig. »Als ich… als ich starb, habe ich es gesehen! Schwarz inmitten der Flammen drehte sich das Rad vor meinen Augen! Was bedeutet es?«
»Es ist ein Zeichen der Leere, ein sehr altes Symbol. Die Mandalas stehen für die anderen vier Elemente. In der Mitte befindet sich die Leere. Legt einfach Eure Handfläche auf das Symbol, Euer Hoheit, und wünscht Euch, dass die Rüstung verschwindet.«
Genau das tat Dagnarus. Die Rüstung verschwand; es sah für die erstaunten Blicke der beiden Männer so aus, als löste sie sich in die Haut des Prinzen auf, als flösse ein Tropfen schimmernder Dunkelheit in jede Pore und würde zu einem Teil von Dagnarus' Lebensblut. Nun trug er wieder nur das weiße Gewand, das er während der Zeremonie getragen hatte. Um seinen Hals hing ein runder Anhänger. Er war aus einem einzigen Stein geschliffen und glitzerte im Sonnenlicht wie ein Diamant, aber er war jettschwarz. An Dagnarus' Seite befand sich der Dolch der Vrykyl, schwebte magisch neben ihm, als würde er von einem Gürtel gehalten.
Dagnarus betrachtete Anhänger und Dolch zufrieden, das Gewand allerdings angewidert. »Ich werde einen schönen Anblick bieten, wenn ich über Land reite und angezogen bin wie eine Jungfrau an ihrem Hochzeitstag! Ah, hier kommt der Vrykyl! Was gibt es Neues von den Elfen?«
»Sie haben die Spur vollkommen übersehen, Herr«, sagte Shakur und verbeugte sich noch auf dem Pferderücken. »Ich habe gewartet, habe mich in der Leere verborgen und gesehen, wie sie
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