Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis
vorübergaloppierten. Keiner von ihnen dachte auch nur daran, zur Seite zu schauen, so sehr waren sie auf die Straße vor sich konzentriert.«
»Narren!« Dagnarus tat sie mit einer verächtlichen Geste ab. Interessiert betrachtete er Shakurs Satteltasche. »Du hast nicht zufällig Kleidung zum Wechseln da drin?«
»Zufällig doch, Herr«, erwiderte Shakur. Er öffnete die Satteltaschen und holte ein Lederwams, ein feines Seidenhemd und eine wollene Hose heraus. Er hielt Dagnarus die Sachen hin, der alles unzufrieden beäugte.
»Die Kleidung eines Bürgers. Dennoch, es wird genügen müssen, bis ich etwas Besseres kaufen kann. Woher kommen diese braunen Flecke?«
»Das ist Blut, Herr«, sagte Shakur ungerührt. »Ihr habt mir befohlen, den Mord im Geheimen zu begehen, also hielt ich es für das Beste, keine Spuren zurückzulassen. Ich habe die Leiche begraben, habe den Besitz des Mannes aber mitgenommen, weil ich die Sachen später verkaufen wollte.«
»Silwyth«, befahl Dagnarus, »nimm das Zeug mit und wasche es; sieh zu, dass es hinterher in einem vernünftigen Zustand ist, sodass ich es tragen kann.«
Shakur hob das Visier und entblößte sein Gesicht und seine toten Augen. Der Vrykyl hielt dem Elf die schmutzige Kleidung hin.
Silwyth trat mit starrer Miene einen Schritt zurück.
»Lass sie fallen«, befahl er, versuchte aber nicht, die Sachen zu berühren.
»Komm schon und nimm sie mir ab, Elf«, sagte der Vrykyl höhnisch.
Silwyth regte sich nicht. Er zog angewidert die Nase kraus. »Nein, das werde ich nicht tun. Ich rieche Tod und Verfall an dir.«
»Er heißt Shakur, Silwyth«, sagte Dagnarus, der die Konfrontation amüsiert beobachtet hatte. »Er ist ein Vrykyl, ein Geschöpf der Leere, das mir dient – ebenso wie du«, fügte er drohend hinzu.
Silwyth verbeugte sich vor Dagnarus. »Ich diene Eurer Hoheit. Ich stehe treu zu Euch, wie ich wohl deutlich genug bewiesen habe. Aber ich werde nicht diesem Spott auf das heilige Leben dienen.«
Dagnarus wurde rot vor Zorn.
Gareth zupfte den Prinzen am Ärmel und flüsterte eilig: »Bedrängt ihn nicht, Euer Hoheit! Nicht, wenn Ihr Silwyths Dienste schätzt! Die Elfen ehren den Tod; sie verehren jene, die gestorben sind. Die Elfen glauben, dass ihre Geister nach dem Tod ein anderes, besseres Leben führen. Der Gedanke, dass ein Geist in totem Fleisch eingesperrt ist, ist ihnen ausgesprochen zuwider.«
Dagnarus' Zorn ließ nicht nach, aber er sagte nichts mehr zu Silwyth. Ihm war ein neuer und sehr beunruhigender Gedanke gekommen.
»Wird Valura ebenso empfinden?«
»Das nehme ich an, Euer Hoheit«, sagte Gareth.
»Dann werde ich den Vrykyl wegschicken. Er kann uns vorausreiten und das Treffen mit der Armee meines Onkels organisieren. Shakur!« Dagnarus winkte den Vrykyl zu sich. »Ich habe neue Befehle für dich…«
»Zu spät, Euer Hoheit!«, sagte Gareth leise.
Valura stand in der Tür des Gebäudes. Sie starrte Shakur mit einer Mischung aus Entsetzen und äußerstem Ekel an.
»Tod!«, flüsterte sie. »Der Tod ist gekommen, um mich zu holen!«
Ihre Beine gaben unter ihr nach. Sie sackte gegen die offene Tür und wäre hingefallen, aber Dagnarus eilte zu ihr und fing sie in seinen Armen auf.
»Nein, meine Liebste, meine Geliebte!«, sagte der Prinz. »Nicht der Tod, sondern das Leben! Ich habe einen Weg gefunden, den Tod zu besiegen. Dieser Körper wird nicht sterben.«
Valuras Blick schweifte zu der blutbefleckten Kleidung. »Er lebt, indem er sich von den Leben anderer ernährt!« Schaudernd schloss sie die Augen. »Ich habe gehört, wie er das sagte.«
»Er dient meiner Sache«, betonte Dagnarus. »Sie sterben für mich. Bei den Göttern, sie sollten mir dankbar sein! Ihr jämmerliches kleines Leben erhält nun eine Bedeutung. Du zweifelst doch nicht an mir, Geliebte?«, fügte er stirnrunzelnd hinzu. »Du stellst doch nicht in Frage, was ich tue?«
»Nein, nein«, erwiderte Valura, aber sie hatte den Blick von dem Vrykyl abgewandt und hob sogar die Hände, als wollte sie ihn bannen. Sie drückte den Kopf an Dagnarus' Brust.
»Ich habe getan, was ich tun musste«, sagte er kühl. Er senkte den Arm, den er zuvor um sie gelegt hatte. »Ohne dieses Geschöpf, das dich so anwidert, wären wir nicht entkommen. Wir wären vermutlich noch in diesem Augenblick deinem Mann ausgeliefert. Die Kraft des Vrykyl ist zehnmal so groß wie die eines Sterblichen, er hat keine ihrer Schwächen, er braucht weder Schlaf noch Essen. Er braucht nicht zu
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