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Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis

Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis

Titel: Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Weis
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nicht nahe. Wenn man den Altersunterschied bedachte, war das auch nicht weiter erstaunlich, aber die Sache ging wesentlich tiefer. Ihre Interessen und ihr Geschmack waren praktisch gegensätzlich, und obwohl beide Söhne das Abbild ihres Vaters waren, schien einer jeweils die Züge geerbt zu haben, die dem anderen versagt geblieben waren. Dagnarus hatte den festen Mund und das kräftige Kinn seines Vaters; Helmos seinen durchdringenden Blick und sein träges, warmherziges Lächeln.
    »Seine Majestät wurde in einer ausgesprochen dringenden Angelegenheit abberufen«, erklärte Helmos, der von seiner Arbeit aufblickte. »Er lässt ausrichten, dass er dies bedauert und dass die Audienz zu einem anderen Zeitpunkt stattfinden wird.«
    Manchmal füllen die Leute Schweinsblasen mit Luft und geben sie Kindern, die diese Blasen dann als Bälle benutzen. Wenn man mit einer Nadel hineinsticht, entweicht die Luft, und die Blase fällt zusammen. Gareth wusste jetzt, wie sich das anfühlen musste: Aufregung, Angst und Vorfreude wichen schlagartig aus ihm.
    Dagnarus verzog missbilligend das Gesicht. Er hatte diese Audienz gewollt, und er konnte sich nicht vorstellen, dass irgendetwas wichtiger sein sollte als seine Wünsche.
    »Das genügt nicht. Wo ist mein Vater?«, wollte er wissen.
    »Er trifft sich mit den elfischen Botschaftern«, erklärte Helmos ruhig. »Sie kamen heute früh durch das Portal und brachten wichtige Neuigkeiten. Seine Majestät darf nicht gestört werden.«
    Dagnarus hatte eine störrische Miene aufgesetzt, als wollte er auf der Stelle losrennen und die Besprechung unterbrechen. Silwyth schnalzte mit der Zunge, und Helmos schaute ihn ernst an.
    »Bitte, Dagnarus«, flüsterte Gareth, und er spürte, dass seine Wangen derart glühten, dass er sich schon wunderte, dass ihm kein Blut aus den Ohren schoss. »Es ist schon gut. Es macht mir nichts aus. Wirklich nicht. Ich werde Seine Majestät ein anderes Mal sehen.«
    Helmos, inzwischen zweiundzwanzig Jahre alt, war ein mitfühlender und empfindsamer Mann. Viele, denen es aufgrund seiner unauffälligen Art nicht gelang, bis in sein Herz zu schauen, neigten dazu, ihn für schwach zu halten. Zu denen, die diesen Fehler machten, gehörte auch sein eigener Bruder.
    Helmos sah Gareths Enttäuschung, sah, wie unglücklich und verlegen der Junge war, und erkannte, dass Dagnarus die Sache mit seinem Starrsinn nur noch schlimmer machte.
    »Ich weiß, dass ein Treffen mit mir nicht annähernd so wunderbar ist wie eine Audienz bei unserem Vater«, erklärte Helmos, »aber ich würde selbst gern die Geschichte von Gareths tapferer Tat hören.«
    Helmos lächelte den Jungen an – ein warmherziges Lächeln, das direkt von einem Ort voller Güte tief in seinem Inneren kam und den trüben Tag mehr erhellte als die Sonne. Er bat Gareth, sich auf einem Stuhl an seinem Tisch niederzulassen, und setzte sich dem Jungen gegenüber, als wäre ihm der Prügelknabe ebenbürtig. Helmos erwähnte den verfluchten Fleck auf Gareths Gesicht nicht einmal, aber er vermied auch nicht den Blick auf das Mal. Er sah es, nahm es zur Kenntnis und dachte anschließend nicht mehr daran.
    Gareths Blick fiel auf das Buch, das Helmos gelesen hatte, und er sah zu seiner Verblüffung, dass es in einer fremden Sprache geschrieben war. Er erinnerte sich, gehört zu haben, dass Helmos fließend Elfisch sprach, ebenso wie die Sprache der Zwerge. Er beherrschte auch viele der unterschiedlichen Menschendialekte und hatte Grundkenntnisse des Orkischen.
    Dagnarus stellte sich hinter Gareth und schubste seinen Freund mit der Fingerspitze zwischen die Schulterblätter zum Zeichen, dass Gareth endlich etwas sagen sollte. Zuerst starrte der Junge nur auf den Tisch und murmelte etwas in den hohen Kragen seines Überrocks. Helmos lauschte interessiert, und seine Fragen zeugten von Klugheit. Er zeigte, dass er wirklich wissen wollte, was der Junge zu sagen hatte, und nach und nach vergaß Gareth, wem er da gegenübersaß, und begann ohne Zurückhaltung und vollkommen unbeschwert mit dem Mann zu sprechen.
    »Und du bist nicht einmal weggerannt, als dieser Deserteur direkt auf dich zukam«, stellte Helmos anerkennend fest.
    »Ich hätte ja kaum weglaufen können, Euer Hoheit«, erwiderte Gareth, der bei der Wahrheit bleiben wollte. »Ich saß auf dem Pferd. Und es ist ein sehr
großes
Tier, Euer Hoheit«, fügte er hinzu und erschauerte bei der Erinnerung.
    »Du hättest runterspringen können«, meinte Helmos. »Aber du

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