Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis
zu dem Kronprinzen sagte. Es geht um die anderen Könige, die davon erfahren werden und dann meinen: ›Ah, wenn die Barbaren sich einfach Land nehmen konnten und nicht bestraft wurden, wieso sollte ich dann nicht dasselbe tun?‹.«
»Genau«, triumphierte Dagnarus. »Viel Spaß mit Evaristo, Fleck.«
Er sprang über eine Balustrade und war die Treppe hinuntergerannt, bevor Silwyth ihn packen konnte.
Im Spielzimmer, allein mit dem Lehrer, erzählte Gareth so viel von seinem Besuch, wie er konnte, und berichtete auch über die Diskussion zwischen den Prinzen.
»Seine Majestät hatte Recht, gnädig mit diesen Barbaren umzugehen«, meinte Evaristo. »Wie Kronprinz Helmos schon bemerkte, wäre ansonsten viel Blut vergossen worden.«
»Silwyth sagte zu Dagnarus, dies könnte bedeuten, dass andere Könige uns für schwach halten und uns ausnutzen«, erklärte Gareth. »Er behauptet, die Elfen hätten die Trevenici hinrichten lassen.«
»Zweifellos als abschreckendes Beispiel«, schnaubte Evaristo. Er mochte Silwyth nicht, und es gefiel ihm auch nicht, welchen Einfluss der Elf auf den Prinzen hatte. »Das ist typisch für elfisches Denken. Die Elfen sind ein Volk, das in den Krieg und in ihre eigenen unverrückbaren Vorstellungen von Ehre verliebt ist. Sie achten nichts mehr als einen Schwerthieb auf den Kopf. Seine Majestät hat mit dieser Entscheidung wahre Weisheit gezeigt. Gnade walten zu lassen, wo keine erwartet wird oder verdient wurde, ist ein Zeichen von Stärke, nicht von Schwäche.«
»Erzählt mir mehr von den Paladinen«, bettelte Gareth. »Erzählt mir von der Verwandlungszeremonie.«
Evaristo gab nach, denn er erkannte, dass sein Schüler viel zu aufgeregt war, um sich mit Multiplikationen abzugeben, die eigentlich das Thema dieser Stunde gewesen wären.
»Um zu verstehen, wieso es Paladine gibt, musst du zunächst begreifen, wie und warum die magischen Portale geschaffen wurden«, erklärte Evaristo. »Weißt du irgendetwas darüber, Gareth?«
»Meine Kinderfrau hat mich einmal mit zu einem Besuch bei einer Freundin genommen, die in einem Elfenhaushalt arbeitete. Ich sah den Eingang zu dem Portal, das ins Land der Elfen führt, aber ich bin nicht hineingegangen. Meine Kinderfrau sagte, die Götter hätten die Portale gemacht und sie König Tamaros zur Belohnung für seine Weisheit und Güte überlassen und dafür, dass er sich so darum bemüht, die Völker dazu zu bringen, miteinander auszukommen. Es gibt vier Portale: Eins führt ins Elfenland, eins ins Zwergenland und eins zu den Orks; das letzte befindet sich im Tempel und führt zu den Göttern.« Als er sah, dass sein Lehrer das Gesicht verzog, zögerte Gareth. »Stimmt das nicht?«
»Du hast Recht, wenn du sagst, dass es vier Portale gibt. Aber ich werde ein paar falsche Vorstellungen korrigieren müssen. Ich weiß wirklich nicht, wie solche Geschichten entstehen«, murmelte Evaristo.
»König Tamaros war bereits fünfunddreißig und durch die Gnade der Götter Hochkönig, was bedeutet, dass er König über viele geringere Könige ist. Nicht nur das – selbst damals schon achtete man ihn, jung wie er war, in ganz Loerem als den größten Herrscher, den Vinnengael jemals hatte.«
Gareth nickte, um zu zeigen, dass er aufmerksam zuhörte. Evaristo, erfreut über das Interesse des Jungen, fuhr fort, über das Thema zu sprechen, das ohnehin zu seinen liebsten zählte.
»Es war Tamaros gelungen, das Königreich der Menschen zu vereinen, was nie zuvor erreicht worden war. Dies gelang ihm nicht mittels Krieg, sondern mit Hilfe friedlicher Verhandlungen. Er baute Straßen und öffnete Handelsrouten, die Vorteile für alle brachten. Als er sah, dass diese Straßen und Handelsverbindungen den Menschenreichen halfen, die sich zuvor bekriegt hatten, beschloss Tamaros, dass die Eröffnung von Handelsrouten in die Reiche der anderen Völker vielleicht dabei helfen könnte, den Kontinent zu vereinigen.
Aber der Kontinent ist riesig. Ein Zwerg muss ein Jahr lang angestrengt reisen, um von Saumel, der Stadt der Pferdelosen, nach Vinnengael zu gelangen. Die Elfen brauchen beinahe ebenso lang, und der Weg ist für sie sehr gefährlich, da er überwiegend durch Menschenland führt. Die Orks sind mit ihren Schiffen viele Wochen auf See unterwegs und müssen gefährlichen Stürmen und trügerischen Riffen trotzen, um Vinnengael zu erreichen. So hatten wenige Menschen je einen Elfen oder Zwerg oder Ork gesehen, kaum jemand kannte sie, und daher traute ihnen
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