Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis
Würde und Majestät, die Olgaf im Gegensatz dazu wie einen böswilligen Kobold wirken ließ. Tamaros legte die Hand leicht, kurz und voller Mitgefühl auf die Schulter seines Sohnes, als er an ihm vorbeikam, und erinnerte Helmos damit daran, dass ein Streit mit einem solchen Menschen zu nichts führen und ihn nur selbst erniedrigen würde. Helmos holte tief Luft und stellte sich hinter einen der hochlehnigen Stühle, die im Kreis aufgestellt worden waren, sodass die Anwesenden einander ansehen konnten und keinem durch die Sitzordnung ein Vorrang eingeräumt wurde. Sie saßen nicht an einem Tisch, denn das hätte bedeutet, dass die Zwerge kaum über die Tischplatte hätten schauen können, während die Beine des Ork ständig irgendwo anstießen.
Begleitet wurde der König von den anderen Paladinen, von jenen, die die Länder anderer Völker bereits besucht hatten und dem König mit ihrem Rat zur Seite stehen konnten. Reinholt, der Ehrenwerteste Hohe Magus, war nicht anwesend – ein politischer Schachzug, da Elfen und Zwerge zwar die Notwendigkeit von Magie einsahen, ihren Anwendern aber mit tiefstem Misstrauen begegneten.
König Tamaros hieß alle Anwesenden willkommen, jeden in seiner eigenen Sprache, und stellte höfliche Fragen, die andeuteten, dass er genau wusste, was in ihren Ländern vor sich ging. Er begrüßte sogar Olgaf und erklärte, Emillia freue sich immer über einen Besuch ihres Vaters. Eine Lüge, da alle wussten, dass Vater und Tochter, die einander sehr ähnlich waren, sich nicht ausstehen konnten.
Nachdem der König so den Formalitäten Genüge getan hatte, nahm er seinen Platz auf einem Stuhl am Nordende des Kreises ein. Die Paladine flankierten ihn. Helmos saß Seiner Majestät gegenüber. Bei einer Uhr, wie sie die Menschen benutzten, hätte er auf der Sechs gesessen. Olgaf wurde auf die Drei platziert, die Botschafter ihm gegenüber. Die zwölf zwergischen Leibwächter hockten sich ans andere Ende des Saales, wo sich ihnen diskret ein paar Soldaten der Schlosswache zugesellten.
»Wir danken Euch allen, dass Ihr gekommen seid«, sagte König Tamaros. Der alte Mann sah müde und abgehärmt aus, aber er strahlte eine gewisse Ruhe aus, ein Selbstvertrauen, das sich wie Balsam über die Kränkungen und verwundeten Eitelkeiten ausbreitete. »Wir könnten nun erklären, dass es ein Missverständnis war. Oder wir könnten erklären, dass es keines war. Wir könnten behaupten, dass man Euch betrogen und falsche Informationen zugespielt hat.«
Olgafs Gesicht wurde noch spitzer, als hätte jemand seine Nase in einen Schraubstock gespannt. Er verzog höhnisch den Mund.
»Wir könnten behaupten, dass dies ein Versuch war, Euch dazu zu bringen, den Krieg zu erklären«, fuhr Tamaros fort, »einen Krieg, der zahllose Leben kosten, Kinder zu Waisen machen und den Frieden in Loerem zerstören würde. Wir könnten Euch das sagen, und das wäre nicht mehr als die Wahrheit. Aber das werden wir nicht tun.«
Tamaros hielt inne, sah jedem Botschafter direkt in die Augen, starrte ihnen in die Seele, suchend, prüfend, abwägend. Der Elfenlord, der Orkkapitän, der Zwergenbotschafter begegneten seinem Blick und zuckten nicht mit der Wimper. Olgaf wandte sich ab und murmelte ein paar Bemerkungen über sein leeres Weinglas.
»Nein, das werden wir nicht tun«, wiederholte der König. »Stattdessen werden wir sagen, dass wir uns die Liste der Beschwerden angesehen haben, die Ihr uns übermittelt habt…«
Der Zwergenbotschafter schien über diese Worte verblüfft. Er hatte keine Liste geschickt. Er konnte nicht schreiben. Dunner beugte sich zu ihm und flüsterte ihm zu, er habe sich die Freiheit genommen, eine entsprechende Liste zu verfassen, die die Vorbehalte der Zwerge zusammenfasste. Das passte dem Botschafter gut. Er bat nicht einmal darum, die Liste zu sehen, die er ohnehin nicht hätte lesen können, und er vertraute Dunner. Dies entsprang der Hochachtung, die man den Pferdelosen entgegenbrachte.
Tamaros wartete geduldig, bis die Zwerge ihr geflüstertes Gespräch beendet hatten, dann fuhr er fort:
»Wir haben uns alles genau angesehen, und wir sagen, Ihr habt Recht.«
Dies stieß auf verblüfftes Schweigen.
»Die Portale sind ein Geschenk der Götter und gehören demnach uns allen. Wir sollten alle Anteil an ihrer Bewachung und Erhaltung haben, und daher sollten wir auch den Wohlstand teilen. Wie soll dies nun erreicht werden?« Tamaros schüttelte den Kopf. »Wir wissen es nicht. Wir haben keine
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