Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis
bestand in seinen Augen darin, dass er dadurch wenig Zeit für sein neues Pferd hatte. Er musste immer und immer wieder üben, etwas, was ihn schrecklich langweilte. Wenn er nicht übte, wurde Maß für neue Gewänder genommen, und das war noch schlimmer. Er zog sich gern schön an, aber er hasste es, für die Anproben stillstehen zu müssen. Da Königin Emillia die Verantwortung für diese Dinge trug, waren die Gewänder, als sie schließlich fertig waren, nicht richtig. Der Umhang war entweder zu lang oder zu kurz, das Obergewand zu eng oder zu weit, und daher wurde Dagnarus für immer neue Anproben in die Gemächer Ihrer Majestät geschleppt, wo Frauen mit Stecknadeln im Mund an ihm zupften und vor sich hin murmelten.
»Dagnarus!« Gareth packte den Prinzen am Arm, als er gerade um eine Ecke bog. »Passt auf! Dort, im Flur! Meisterin Florence!«
Meisterin Florence war für die Garderobe der Königin zuständig und daher nun auch für Dagnarus' Festgewand. Sie hatte eine entschlossene Miene aufgesetzt und hielt ein Bandmaß in der Hand.
»Hier entlang!«, rief Dagnarus, der eigentlich auf der Suche nach Dunner gewesen war in der Hoffnung, den Zwerg zu einer weiteren Reitstunde überreden zu können.
Die Jungen duckten sich hinter eine Säule und hielten den Atem an, bis die Königliche Schneiderin auf dem Weg zu den Gemächern des Prinzen an ihnen vorbeigeeilt war.
»Sie wird nicht einmal Silwyth dort finden«, flüsterte Dagnarus. »Und Evaristo ist auch schon nach Hause gegangen.«
»Das bedeutet, dass sie nach dir sucht. Eil dich!«
Die Jungen liefen den Flur entlang.
»Woher weißt du, dass Silwyth nicht dort ist?«, fragte Gareth. »Wo sonst sollte er sein?«
»In geheimnisvollen Dingen unterwegs«, erwiderte Dagnarus. »Er geht immer weg, sobald er glaubt, dass wir ebenfalls weg sind.«
»Ja?« Gareth staunte. »Wenn wir zurückkommen, ist er immer wieder da.«
»Deshalb weiß ich es ja«, meinte Dagnarus mit einem Zwinkern. »Er ist zu pünktlich. Und das bedeutet mit Sicherheit, dass er hinter unserem Rücken etwas tut und darauf achtet, nicht erwischt zu werden. Und ich habe ihn gesehen – nein, nicht hier entlang, lieber die Treppe runter.«
»Ich dachte, wir wollten in der Großen Bibliothek nach Dunner suchen. Auf diesem Weg kommen wir nicht dorthin.«
»Der andre Weg bringt uns zu dicht an den Gemächern meiner Mutter vorbei. Die Treppe runter, den Flur entlang, diesen schmalen Korridor, eine Treppe nach oben, und dann kommen wir von der anderen Seite in die Große Bibliothek.«
Gareth wurde ein wenig langsamer und versuchte, die Strecke im Kopf nachzuvollziehen. »Aber das bringt uns in die Gemächer Seiner Majestät. In die Nähe des Beratungszimmers. Wir dürfen dort nicht spielen.«
»Wir
spielen
ja auch nicht.« Dagnarus warf seinem Freund einen vernichtenden Blick zu. »Ich spiele nie. Jedenfalls nicht mehr. Außerdem wird um diese Zeit niemand dort sein. Mein Vater und Helmos bereiten sich auf das Levee heute Nachmittag vor.«
Die Jungen stiegen die breite Treppe hinunter, bogen um eine Ecke und sahen, was wie eine ganze Armee von Elfen wirkte, die ihre schimmernden lackierten Rüstungen trugen und mit Schwertern und Speeren bewaffnet waren.
»Die Götter mögen uns schützen!«, keuchte Gareth.
Es gab keine Möglichkeit, sich zu verstecken, keine langen Wandbehänge oder Ritterrüstungen, keine breiten Säulen oder Nischen. Dagnarus probierte den Griff einer nahe gelegenen Tür und fand sie unverriegelt. Er drückte die Tür auf, zerrte seinen Freund in den Raum dahinter und zog die Tür hinter sich beinahe zu. Dann spähte er durch den Spalt hinaus.
»Ist das Krieg?«, fragte Gareth mit bebender Stimme. »Werden sie uns töten?«
»Unsinn«, erwiderte Dagnarus, verärgert über die Begriffsstutzigkeit seines Freundes. »Sie tragen die zeremoniellen Rüstungen, und es sind nur zwanzig oder dreißig. Sie sind wegen der Zeremonie des Steins der Könige hier. Da kommt auch schon Lord Mabreton, um sie zu begrüßen.«
»Oh«, meinte Gareth, der sich dumm vorkam. »Wer sind sie also?«
»Ich weiß es nicht.« Dagnarus runzelte die Stirn. »Es ist schon irgendwie seltsam, dass sie hier auftauchen. Ihr König – wie nennen sie ihn noch?«
»Den Göttlichen«, antwortete Gareth.
»Genau. Der Göttliche hat meinen Vater benachrichtigt, dass man Lord Mabreton auserwählt hat, den Stein der Könige entgegenzunehmen. Nun sind all diese anderen Elfen hier. Ich frage mich
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