Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
erhoben, um ihn mit einem einzigen Schlag in zwei Stücke zu hauen. Der Vrykyl war finsterer als finster, ein Loch, das in die Nacht geschnitten war. Gustav stieß zu und nutzte seine ganze Kraft, um sein Schwert in die Mitte des Gegners zu stoßen, unterhalb des Harnischs.
Das Schwert durchdrang die Rüstung. Die Wucht des Aufpralls war dennoch lähmend und sandte einen reißenden Schmerz durch Gustavs Arm. Seine Hand war taub, und er konnte die Waffe nicht mehr halten.
Aber er hatte den Vrykyl verletzt. Ein schriller Schrei zerriss die Nacht. Dieses entsetzliche Geräusch ließ den Paladin schaudern. Er stand da und umklammerte seinen Arm, versuchte ein wenig Gefühl hineinzureiben, das Kribbeln seiner Nerven aufzuhalten.
Der Vrykyl fiel zu Boden, schrie und wand sich in einem Schmerz, der schlimmer war als jeder körperliche Schmerz, den diese Frau je gespürt hatte, als sie noch am Leben gewesen war. Sie spürte den Schmerz des Zorns der Götter. Die Magie von Gustavs gesegnetem Schwert, die in Leere eindrang, brachte Substanz in die Leere, füllte sie mit Licht, beendete die Dunkelheit, die dieses Wesen existieren ließ.
Gustavs rechte Hand war zu nichts mehr zu gebrauchen. Er fragte sich, ob er wohl je wieder etwas damit spüren würde. Die Wunde an seiner Schulter brannte und pochte, und er spürte, wie sich betäubende Kälte von seiner Schulter durch den ganzen Körper ausbreitete. Er biss die Zähne gegen die Schmerzen zusammen und beugte sich über den verwundeten Vrykyl, um mit der linken Hand sein Schwert herauszureißen. Die Klinge war sauber und wies keinen Tropfen Blut auf.
Der Vrykyl hörte auf zu schreien. Das Wesen lag zuckend am Boden. Gustav brach ganz in der Nähe seiner Feindin zusammen. Er sackte tief in die Finsternis, fiel in die Leere der Augen des Vrykyls.
Gustav spürte, dass etwas über seine Wange kratzte. Er erwachte voller Entsetzen, die Erinnerung an das Knochenmesser des Vrykyl immer noch frisch im Gedächtnis. Er starrte erschrocken ins Licht, nur um festzustellen, dass das Kitzeln an seinem Gesicht von der Schnauze seines Pferdes kam.
Gustav holte schaudernd Luft. Er legte sich wieder ins Gras, und als er zum Himmel schaute, erkannte er, dass die Sonne schon ziemlich hoch stand. Sein Streitross, das offenbar bedauerte, seine Pflicht nicht erfüllt zu haben, schnaubte seinem Herrn eine Art Entschuldigung zu und verlangte dann sein Futter.
Gustav blieb noch einen Moment liegen und wärmte sich in der Sonne, dann hob er die rechte Hand und bewegte die Finger. Das Gefühl war zurückgekehrt. Wieder seufzte er und setzte sich vorsichtig hin, damit ihm nicht schwindlig wurde. Er trug seine Rüstung nicht mehr, die ihn im Falle, dass irgendeine Gefahr drohte, geschützt hätte. Er schob das Hemd beiseite und untersuchte seine Wunde. Sie war nicht tief, sah zumindest nicht gefährlich aus, schien kaum mehr als ein kleiner Stich zu sein, wie ihn vielleicht ein Eisstecher zurücklässt. Die Wunde hatte nicht viel geblutet, aber die Haut ringsumher hatte sich seltsam weißlich verfärbt, und als er sie berührte, hätte er vor Schmerz beinahe aufgeschrien. Er drehte sich vorsichtig in die Richtung, wo letzte Nacht der Vrykyl niedergestürzt war, denn er empfand eine Art widerstrebender Neugier, sich anzusehen, wie dieses widerliche Geschöpf im hellen Tageslicht aussah.
Der Vrykyl war verschwunden.
Erschrocken sprang Gustav auf. Eilig suchte er die nähere Umgebung ab, denn er glaubte, er hätte sich vielleicht geirrt, was den Schauplatz des Kampfes anging.
Er fand nichts. Es war, als hätte es den Vrykyl nie gegeben. Er wäre beinahe versucht gewesen zu glauben, dass er diese ganze Alptraumbegegnung nur geträumt hatte, wäre nicht die Wunde in seinem Arm gewesen. Und es gab auch noch andere Anzeichen eines Kampfes.
Nun, als er sich die Umgebung genauer ansah, konnte er erkennen, wo das Gras zertrampelt worden war. Er sah auch, dass jemand etwas Schweres durchs Gebüsch geschleppt hatte.
Er hatte den Vrykyl nicht getötet, sondern nur verwundet.
Er stellte sich vor, wie die verwundete Untote sich über den Boden schleppte. Gustav berührte seine taube Schulter und erinnerte sich an das mörderische kleine Messer, mit dem ihn das Geschöpf verletzt hatte. Keine gewöhnliche Klinge konnte die Rüstung eines Paladin durchdringen. Das Messer der Untoten war voller Magie der Leere gewesen – machtvoller Magie. Gustav fragte sich, warum der Vrykyl ihn nicht getötet hatte, während
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