Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
Blanker Stahl in einer Hand, eine Turteltaube in der anderen.
»Wisst Ihr, was ich an diesem Teil meines Gartens am meisten genieße, Damra von Gwyenoc?«, fragte der Schild. Er legte eine bedeutungsschwere Pause ein, dann sagte er. »Das Schwatzen des laufenden Wassers. Es sagt nichts, aber ich finde das Geräusch sehr beruhigend.«
Damra begriff. Ganz unabhängig davon, welche Hand sie wählte, würde sie verlieren und er siegen. Wenn er sie zu einem Zornesausbruch provozierte, würde er behaupten, sie hätte sein Leben bedroht. Er konnte sie gefangen nehmen und sie in Schimpf und Schande aus dem Haus führen lassen (nicht einmal der Göttliche würde im Stande sein, ihr so etwas öffentlich zu vergeben). Wenn sie statt dessen die Turteltaube des Schweigens im Austausch gegen das Leben ihres Gemahls wählte, verlor sie nicht nur ihren Stolz, sondern auch ihre Ehre und alles, woran sie glaubte. Das würde den Göttlichen ausgesprochen schwächen. Cedar würde zwar begreifen, dass sie keine Wahl gehabt hatte, aber er würde den Respekt vor ihr verlieren, und Damra verlöre das Vertrauen und die Wertschätzung eines Mannes, den sie bewunderte.
Damra wusste nun, wie sich ein Gefangener auf der Folterbank fühlt, dessen Gelenke mit jedem Drehen der Schraube weiter auseinander gerissen werden. Zu wissen, was sie tun sollte, band sie auf das Foltergerät, und zu wissen, was sie wollte, drehte das Rad. Griffith würde wollen, dass sie treu zum Göttlichen stand, obwohl es ihn sein Leben kosten könnte. Wenn sie seine Freiheit erkämpfte, würde er von ihr enttäuscht sein, und sie würde es nicht ertragen, sein Vertrauen zu verlieren.
Dennoch, wie konnte sie ohne ihn – ihren standfesten Freund, ihren vertrautesten Berater, ihr Herz, ihre Seele – weiterleben? Sie wollte lieber sterben als …
»Hüter? Warum störst du uns?« Der Schild wirkte verblüfft und verärgert.
Damra hatte blicklos in das fließende Wasser gestarrt, so zerrissen von Schmerz, dass sie nicht bemerkt hatte, wie der Hüter der Schlüssel sich ihnen näherte. Es musste sich tatsächlich um einen Notfall handeln, denn der Mann würde es sonst nicht wagen, dieses Gespräch zu unterbrechen.
»Verzeiht mir die Störung, Herr«, sagte der Hüter und verbeugte sich tief. »Aber es sind Besucher eingetroffen, die nach Damra von Gwyenoc fragen. Ein Nimoreaner, begleitet von zwei Pecwae und einem Barbarenmenschen, die ihr eine Botschaft von einem bringen, der kürzlich zu seinen Ahnen gegangen ist. Diese Botschaft war die letzte Bitte eines Sterbenden, Herr.«
Damra war verblüfft. Ihr fiel niemand ein, dessen letzter Gedanke ihr gelten und der ihr solch bizarre Boten schicken würde. Dann schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass es sich um einen weiteren Trick des Schilds handelte, und sie warf ihm einen raschen Blick zu.
Der Schild wirkte jedoch im Augenblick weder selbstzufrieden noch tückisch. Er war eindeutig verärgert über die Störung, und wieso auch nicht? Er war sich seines Siegs so sicher gewesen, und nun war der Augenblick vergangen. Wütend starrte er den Hüter an, aber er konnte keine Einwände erheben.
Der Hüter warf seinem Herrn einen um Verzeihung heischenden Blick zu. Elfen halten die letzte Bitte eines Sterbenden für heilig und begegnen ihr mit äußerster Hochachtung und Verehrung. Sobald der Hüter gehört hatte, dass der Tote mit Damra hatte sprechen wollen, war er verpflichtet gewesen, sie zu suchen und ihr die Nachricht zu bringen, ebenso wie sie nun dazu verpflichtet war, sofort mit diesen Leuten zu sprechen.
Wer immer diese Leute sein mochten, die Götter mussten sie geschickt haben, begriff Damra. Sie war immer noch auf die Folterbank gebunden, aber ihre Folterer hatten eine Teepause eingelegt. Wenn man ein Stundenglas umdreht, wird der Sand der Zeit neu geordnet, und jene Körner, die unten waren, sind nun oben. Wenn sie ein wenig Zeit hatte, würde sie vielleicht die Antwort finden, die sie so verzweifelt suchte.
Sie verbeugte sich in höflichem Bedauern. Dem Schild blieb nichts anderes übrig, als die Situation zu akzeptieren. Damra ließ sich vom Hüter der Schlüssel in den ersten Garten führen – den Garten für Kaufleute –, denn obwohl diese Personen die letzte Bitte eines Toten überbrachten, würde man solche Besucher niemals auch nur in die Nähe des Palastes lassen.
Der Schild verfluchte die Götter, wie Damra sie gesegnet hatte. Garwina hatte den Paladin genau dort gehabt, wo er sie haben
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