Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
jetzt nicht mehr. Bisher hatte er die Wahrheit gesagt. Sie legte die Hand um einen silbernen Anhänger, den sie um den Hals trug und auf dem sich das Abbild einer strahlenden Sonne befand, die von zwei Greifen gehalten wird – das Zeichen der Paladine. Die magische Rüstung, die sie trug, verschwand wieder. Nun war sie abermals in Hemd und Hose gekleidet. Sie würde ihr Paladin-Schwert zurücklassen müssen, denn man ging nicht bewaffnet zum Schrein. Man würde ihr allerdings erlauben, ihr Zeremonialschwert zu tragen, denn es war ein Ehrenzeichen, das ihr ihre Ahnen gewährt hatten und das deshalb in den heiligen Bereich mitgenommen werden durfte.
Die Nachtluft war mild. Eine Eule rief. In der Entfernung antwortete eine zweite. Damra ging rasch vom Gästegarten zum ersten der vielen Tore, die sie durchschreiten musste, um den Schrein des Vaters und der Mutter zu erreichen. Nach elfischen Gesetzen durfte sie als Betende von niemandem aufgehalten werden.
Die Geschichte des elfischen Teils des Steins der Könige ist eine blutige, eine kummervolle Geschichte, die der verstorbene König Tamaros nicht mehr erfahren hat. Der gute Mann ging in dem Glauben in den Tod, der Stein der Könige würde die Völker von Loerem in Frieden vereinen. Wenn die Götter gnädig sind, enthalten sie ihm die Wahrheit immer noch vor.
Als König Tamaros den Stein der Könige erhielt und verkündete, er würde seine vier Teile jeweils einem der vier Völker übergeben, nahm der Göttliche, der Vater des derzeitigen Göttlichen an, der Stein würde ihm als dem spirituellen Anführer der Tromek-Nation zufallen. Er schickte seinen Stellvertreter, den älteren Lord Mabreton, um den Stein im Namen des Göttlichen entgegenzunehmen. Der Schild des Göttlichen hatte andere Vorstellungen. Er erkannte die außergewöhnliche Macht, die der Stein jedem verleihen würde, der ihn besaß.
Mit der Hilfe von Silwyth, einem Mann aus niederem Elfenadel, der als Prinz Dagnarus' Kämmerer tätig war, aber tatsächlich als Spion am Hof von Vinnengael weilte, ließ der Schild Lord Mabreton insgeheim ermorden. Der Schild nahm von dem arglosen König Tamaros den Stein der Könige entgegen und verweigerte sich allen Forderungen des Göttlichen, das Juwel weiterzuleiten. Der Schild baute einen besonderen Garten für den Stein, geschützt von sowohl tückischen als auch mächtigen magischen Fallen. Aber der Stein blieb nicht lange dort. Als Prinz Dagnarus in den Lord der Leere verwandelt wurde, erklärte er Vinnengael und seinem Bruder König Helmos den Krieg. Die anderen Völker hatten, als sie ihren Teil des Steins der Könige erhielten, zugestimmt, die Steine wieder zurückzugeben, wenn einem Volk ein Krieg drohte, um den dann wieder vereinigten Stein dazu zu nutzen, Frieden zu schließen. Helmos schickte Botschafter zu allen drei Völkern und bat sie, ihre Teile des Steins zurückzugeben. Aber sie weigerten sich.
Der Schild fürchtete, der elfische Teil des Steins könnte in Gefahr sein, und brachte ihn zu seinem eigenen Landsitz. Insgeheim war der Schild mit Prinz Dagnarus verbündet. Elfische Truppen kämpften an Dagnarus Seite, und weitere standen an der Grenze bereit, um bei Dagnarus' Sieg einzumarschieren und das Land zu übernehmen, das man ihnen im Gegenzug für ihre Hilfe versprochen hatte.
Viele Elfen starben bei der Zerstörung von Vinnengael. Der Schild wurde zum Göttlichen gerufen, um sein Verhalten zu rechtfertigen. Es wäre ihm vielleicht doch noch gelungen, sich herauszureden, aber dann meldete sich dieser Silwyth und enthüllte die Verbrechen des Schildes, beginnend mit der Ermordung des älteren Lord Mabretons. Der Schild sah sich von Feinden umgeben. Er verlangte den Tod von der Hand des Göttlichen, der dieses Vergnügen Lord Mabreton dem Jüngeren überließ. Von diesem Zeitpunkt an war das Haus Kinnoth ruiniert.
Niemand erfuhr je, was aus Silwyth geworden war. Indem er zum Sturz des Schilds beitrug, bewerkstelligte er auch seine eigene Vernichtung, denn nicht einmal der Göttliche hatte die Macht, ihn zu begnadigen. Der jüngere Lord Mabreton scheute keine Kosten, um ihn zu finden, denn es war Silwyth, der seinen Bruder getötet und Dagnarus dabei geholfen hatte, Lady Valura, Lord Mabretons Frau, zu verführen. Lord Mabreton setzte eine Belohnung auf Silwyths Kopf aus, die gut das Lösegeld für einen König hätte sein können, und viele Attentäter versuchten ihr Glück, aber keiner fand ihn. Nun, nach zweihundert Jahren, gingen die
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