Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
mit der Hand über das weiche Gefieder, das sich von den Greifenköpfen bis zu ihrer Brust erstreckte.
»Wir müssen uns beeilen«, erklärte sie. »Ich habe mir diese Greifenpferde einfach ausgeliehen. Ich habe nur drei erwischen können. Arim, du und ich, wir werden je einen Pecwae mitnehmen.«
Jessan ging auf sie zu. »Um was geht es bei diesen Trompeten?«
»Um Krieg«, sagte sie kühl. »Könnt Ihr reiten?«
»Ja«, erklärte Jessan beleidigt.
»Gut. Dann werdet Ihr auch mit einem Hippogryphen zurechtkommen. Setzt Euch auf den Rücken, hier, an diese Stelle. Fasst die Flügel nicht an. Sie mögen das nicht, und dann reißen sie Euch vielleicht den Kopf ab. Ich hatte nicht die Zeit, sie zu satteln, also werden wir ohne Sattel reiten müssen. Ihr müsst Euch mit den Beinen festklammern; drückt ihnen die Schenkel in die Flanken und beugt Euch vorwärts. Schlingt die Arme um den Hals. Ihr braucht keine Zügel. Die Hippogryphe wissen, wohin wir wollen.«
»Verstanden«, sagte Jessan.
Er ging zu einem der Hippogryphe, stellte sich vor das Tier und starrte ihm direkt in die Augen. Der Hippogryph erwiderte seinen Blick. Jessan sagte etwas auf Trevini zu dem Tier. Höchstwahrscheinlich verstand ihn die Hippogryphstute nicht, aber sie begriff den Respekt im Tonfall des jungen Kriegers und spürte keine Angst in ihm, nur Begeisterung. Sie nickte mit dem stolzen Kopf und hielt still, damit er aufsteigen konnte. Jessan hielt sich fest und schwang ein Bein über den Rücken des Tieres. Er sah aus, als wäre er auf dem Rücken eines Hippogryphs geboren, und er lächelte vergnügt.
Damra war erleichtert. Eine Sorge weniger. Aber sie hatte mehr als genug Sorgen, und so würde ihr diese eine nicht sonderlich fehlen.
Mit schwingendem Rock und klickenden Perlen blieb die Großmutter vor einem anderen Hippogryphen stehen und sprach mit ihm. Damra war nicht überrascht, aber es verblüffte sie, als der Hippogryph den Kopf senkte und offenbar genau zuhörte. Damra warf einen Blick zu Arim, der nur die Schultern zuckte.
Die Großmutter winkte Bashae heran, der zögernd näher kam und zitternd die Hand auf den Hals des Hippogryphs legte. Die Großmutter und der Hippogryph schlossen ihr Gespräch zur allgemeinen Zufriedenheit ab, oder zumindest sah es doch so aus. Dann kam die Großmutter zu Damra.
»Wir haben Angst. Wir Pecwae haben immer Angst. Aber das Greifenpferd hat uns gesagt, wir brauchten keine Angst zu haben. Es ist nicht weit, das Wetter ist gut zum Fliegen, und es wird uns gerne in die Wolken hinaufbringen, wo die Atemluft sauberer ist als hier unten, wo sie vom Schnauben der Flügellosen verseucht wird.«
»Und deshalb geht es Euch jetzt besser?«, fragte Damra zweifelnd.
»O ja«, antwortete die Großmutter. Sie hob den Stock hoch und drehte ihn in alle Richtungen. »Wir sollten lieber gehen. Die Augen mögen nicht, was sie da sehen.« Sie reichte Damra den Stock und eine Lederschnur. »Binde mir den Stock auf den Rücken. Und binde ihn ordentlich fest.« Nach einem fragenden Blick zu Arim tat Damra, was die Großmutter ihr gesagt hatte. Dann stieg sie auf ihren Hippogryph, und sie strengte sich mehr an als sonst, dem Tier gegenüber respektvoll zu sein. Aus irgendeinem Grund hatte Damra immer angenommen, dass die Hippogryphe die Elfen, die sie bezwungen und gezähmt hatten, ehrten und respektierten, und sie war nun verblüfft herauszufinden, dass die Tiere die »schnaubenden Flügellosen« offenbar verachteten. Sie zog die Großmutter hinter sich auf das Tier und erklärte, sie solle sie fest um die Taille fassen.
Bashae war trotz der tröstlichen Worte des Hippogryphen ein wenig blass um die Nase geworden, also setzte Arim den Pecwae vor sich zwischen die Flügel und schlang einen Arm fest um ihn. Dann nickte er, um anzuzeigen, dass sie bereit waren.
Damra gab den Befehl zum Fliegen, aber sie tat es mit einiger Verlegenheit und fragte sich, ob sie nicht lieber aus dem Befehl eine Bitte machen sollte. Die Hippogryphe gehorchten allerdings. Sie drückten die Hinterhufe fest auf den Boden, sprangen ruckartig in die Luft, benutzten ihre Flügel und hoben sich und die Reiter vom Boden.
Sie flatterten über die Baumwipfel. Jessan glühte schier. Er stieß einen wilden Schrei aus, vergaß, sich nach vorn zu lehnen und wäre beinahe hinuntergefallen. Er konnte sich nur retten, indem er sich am Gefieder festhielt. Aber es störte ihn nicht, einer Katastrophe so knapp entgangen zu sein. Mit offenem Mund atmete er
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