Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
bewachten, ein Drache für jedes der vier Elemente. Erde, Luft, Feuer und Wasser und ein Drache für die Leere, die Abwesenheit von allem. Er hatte ihr von dem Kloster erzählt, in dem die Mönche lebten, von der Bibliothek, wo sich die Leichen der toten Mönche befanden und davon, wie Gelehrte im Kloster studierten und Adlige und einfache Leute mit Fragen kamen und wie die Mönche alle gleich behandelten und jeder Frage die gleiche Aufmerksamkeit widmeten.
Wolfram erzählte Ranessa, dass er für die Mönche arbeitete, dass er ein »Informationsbeschaffer« war, wie er das bezeichnete. Er musste das tun, um ihr zu erklären, wieso er von der Existenz dieser Portale wusste, und dass er und andere »Beschaffer« die Einzigen waren, die sie benutzen konnten. Er hatte dabei die Wahrheit ein wenig ausgedehnt (er hatte die Mönche als solch hoch stehende und gleichzeitig schreckliche Geschöpfe beschrieben, das selbst die Götter Bedenken gehabt hätten, sich ihnen zu nähern), aber das hielt er für notwendig. Als Erstes hoffte er, dass Ranessa es sich vielleicht anders überlegen und umkehren würde, und falls sie tatsächlich weiterhin entschlossen sein sollte, zum Berg zu reisen, hatte er zweitens dieser unberechenbaren Frau beibringen wollen, dass sie sich benehmen, sich respektvoller ausdrücken und sich würdevoller verhalten müsste.
Jeder andere hätte vielleicht schon längst aufgegeben, aber Wolfram blieb störrisch.
»Das hier ist das letzte Portal, durch das wir gehen müssen«, fügte er schließlich hinzu, »falls dich das irgendwie tröstet.«
»Das tut es«, sagte sie.
»Ich weiß nicht, was du gegen sie hast«, knurrte Wolfram. »Viele Menschen finden es recht beruhigend, ein Portal zu durchqueren.«
»Ich bin nicht wie viele Menschen«, entgegnete Ranessa.
»Das ist wahr«, flüsterte Wolfram.
»Dauernd murmelst du etwas vor dich hin. Ich kann es nicht leiden, wenn du so etwas tust. Um was geht es denn jetzt? Findest du das Portal nicht mehr?«
»Doch, ich finde es«, entgegnete Wolfram, obwohl er sich eingestehen musste, dass der Eingang zu dem Portal sich nicht dort befand, wo er ihn vermutet hatte.
Sie waren durch Karnu gezogen und hatten über tausend Meilen in einem Monat zurückgelegt. Nachdem sie Karfa Len hinter sich gebracht hatten, verlief die Reise ereignislos, wofür Wolfram ausgesprochen dankbar war. Sie hatten den Südteil von Karnu gemieden, der angeblich von schrecklichen Ungeheuern überrannt wurde, die versuchten, das Portal zu erobern. Wolframs geheimes Portal hatte ihnen die gefährliche Reise durch die Salud Danek-Berge erspart. Zwei weitere Wochen angestrengten Reitens hatten sie zu einem weiteren geheimen Portal gebracht. Dieses führte sie zum Fluss Deverel, der die Grenze zwischen Karnu und Neu-Vinnengael bildete. In dieser Zeit hatten sie kein anderes Lebewesen entdecken können. Ranessa hatte nicht mehr das Gefühl, dass man sie verfolgte. Wolfram konnte nur hoffen, dass das bedeutete, dass der Vrykyl aufgegeben hatte.
Es war dieses zweite Portal gewesen, vor das Ranessa gespuckt hatte. Nachdem sie den Deverel überquert hatten, reisten sie eine weitere Woche durch die Wälder von Neu-Vinnengael, immer dicht am Fluss entlang nach Süden. Wolfram suchte nun nach dem dritten und letzten Portal, das sie zum Drachenberg bringen würde.
Während dieser Zeit war Ranessas Bruder Rabe mit den Taan unterwegs, und am Tag vor diesem hatte er Qu-tok getötet. Ranessas Neffe Jessan und seine Begleiter verbrachten diesen Morgen auf dem Weg zum Portal von Tromek. Nicht, dass Ranessa an ihren Bruder oder ihren Neffen gedacht hätte. Sie hatte sie am Ufer ihres Lebens zurückgelassen, und ihre Reise trug sie weiter vorwärts. Jessan und Rabe wurden kleiner und kleiner und verschwanden in der Ferne, bis sie sie nicht mehr sehen konnte. In ihren Gedanken und in ihren Träumen ragte ein Berg vor ihr auf. Der Drachenberg. Sie sah ihn als furchterregend zerklüfteten Gipfel, dunkel und geheimnisvoll, wie er sich gegen einen goldenen Sonnenaufgang abzeichnete. An jedem Morgen erwachte sie und erwartete diesen Anblick vor sich zu sehen, und jeden Morgen wurde sie enttäuscht. Bitter enttäuscht. Ranessa war morgens immer schlechter Laune.
Wolfram stieg vom Pferd und ging in den Wald hinein, um nach dem Portal zu suchen. Er hatte dieses Portal noch nie zuvor benutzt und ging im Geist immer wieder die Angaben durch, die die Mönche ihm gegeben hatten. An einer scharfen Biegung des Flusses
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