Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
die sie gegen die Leere verteidigt. Valura hat einen davon berührt, und das hat sie beinahe vernichtet.«
»Wie werdet
Ihr
sie denn berühren können, Herr?«
»Du vergisst, Shakur«, sagte Dagnarus, »dass ich die Steine schon einmal in der Hand hatte. Jeder einzelne Teil wurde mir von meinem Vater, König Tamaros, übergeben. Einen nach dem anderen habe ich jeden Teil des Steins der Könige zu den Vertretern der Völker gebracht.
Ich
war der Auserwählte der Götter. Nicht mein Bruder Helmos!«
Dagnarus hatte die Fäuste geballt und aufgeregt die Stimme erhoben.
»Als Helmos in seiner Not die Steine zurückhaben wollte, wollten die anderen Völker sie nicht mehr hergeben. Es war immer schon vorgesehen, dass die Steine zu mir kommen. Das hier sind die ersten beiden. Der Rest wird folgen.«
Shakur grunzte. »Was wird Valura tun?«
Dagnarus kannte seine Leute. Er wusste, dass diese scheinbar unschuldige Frage darauf abzielte, ihn darauf hinzuweisen, dass Valura ihre Aufgabe nicht zufrieden stellend erledigt hatte und es nun Shakur überlassen blieb, die Überreste aufzusammeln.
Das Fleisch verfault, die Knochen werden brüchig und Hirn und Herz verwandeln sich in Staub. Warum überlebt die Seele? Dagnarus hatte sich das in Bezug auf seine Vrykyl schon oft gefragt, und er hatte die Tatsache ebenso oft verflucht. Wie viel weniger Ärger würde er haben, wenn diese Geschöpfe Automaten wären und nur denken würden, was er ihnen beibrachte, nur so reagierten, wie er es sie lehrte. Sicher, es waren diese unbequemen Seelen, die sie viel »menschlicher« und daher als Spione, als Eindringlinge, als Attentäter und militärische Anführer brauchbarer machten. Aber diese »Menschlichkeit« bedeutete auch, dass Dagnarus dazu gezwungen war, sich mit den Kleinlichkeiten und Eifersüchteleien, mit den Fehlurteilen und sogar mit der Rebellion seiner Diener abzugeben. Manchmal bedauerte er, dass er jemals die Hand auf den Dolch gelegt hatte, der sie schuf. Seit K'lets Rebellion hatte er solche Gedanken noch viel öfter.
Dagnarus fürchtete den Taan-Vrykyl nicht. K'let wagte es nicht, seinen Herrn im Kampf herauszufordern. Dennoch war es K'let gelungen, sich ihm zu widersetzen, und das verstörte Dagnarus viel mehr, als er zugeben wollte. Er vertraute darauf, dass der Rest der Vrykyl unter seiner Herrschaft blieb, aber die Tatsache allein, dass er sich ununterbrochen ihrer Treue versichern musste, war äußerst ärgerlich, besonders zu einem Zeitpunkt, wo er seine ganze Aufmerksamkeit dem Krieg widmen sollte, der ihn zum rechtmäßigen Herrscher von Loerem machen würde.
»Valura gehorcht meinen Befehlen«, entgegnete Dagnarus barsch. »Ebenso wie du, Shakur.«
Shakur verbeugte sich schweigend und ging.
Dagnarus wandte sich wieder seiner Arbeit zu. In seinem Kopf war der Kampf um das Tromek-Portal bereits vorüber. Er begann mit der Planung der Schlacht, auf die er sich schon seit Jahrhunderten freute – der Schlacht um Neu-Vinnengael.
Die Hippogryphe flogen den ganzen Rest des Tages und den Abend hindurch. Sterne überzogen den Himmel, die Luft war klar, der Mond eine breite Sichel. Die Hippogryphe legten hin und wieder Rast ein, aber nur so lange, wie sie unbedingt brauchten, denn Damra wollte ihr Ziel so schnell wie möglich erreichen, und die Hippogryphe waren ebenso begierig, ihre Aufgabe zu erledigen und zu ihren Jungen zurückzukehren.
Im Morgengrauen kam das Portal in Sicht. Es war aus der Luft leicht zu erkennen – ein Kreis weißer Steine im grünen Wald. Damra wollte den Hippogryphen gerade sagen, wo sie landen sollten, als die Geschöpfe begannen, in der Luft zu kreisen und einander laut etwas zuzurufen.
»Was, glaubst du, ist mit ihnen los?«, fragte Damra Arim verwirrt. »Was haben sie?«
Die Großmutter versetzte ihr einen Rippenstoß, was Damra erschreckte, denn sie hatte geglaubt, die alte Frau schliefe noch. Sie hatte den größten Teil der Reise verschlafen, den Kopf gegen Damras Rücken gelehnt.
»Sie sagen, es hängt ein seltsamer Geruch in der Luft« rief die Großmutter. »Ein Geruch, den sie nicht kennen und den sie nicht mögen.«
Silwyth hatte sie davor gewarnt, dass eine feindliche Armee sich des Portals bemächtigen wollte. Damra schaute genauer hin, konnte aber kein Anzeichen für Ärger am Boden erkennen. Aber noch während sie das tat, wurde ihr klar, dass man eine gesamte Nation von Feinden im Schatten des Waldes verstecken könnte. Es war allerdings seltsam, dass die Hippogryphe
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