Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
Die Hufschläge kamen immer näher, und das silberne Licht des Portals wurde trüber, als handele es sich tatsächlich um das Spiegelbild des Mondes und eine Wolke stünde kurz davor, es zu verschlucken.
»Ich danke Euch, Herr, für Euer Angebot«, sagte der Ritter. »Ich heiße Gustav. Ich bin ein Ritter aus Vinnengael. Wie Ihr seht, habe ich keinen Knappen. Ihr könnt mir jetzt als solcher dienen, wenn Ihr möchtet.« Er schwang sein Schwert, und Wolfram bemerkte nun, dass der Ritter seinen linken Arm starr hielt und ihn nicht benutzte. »Geht und kümmert Euch um mein Pferd. Sorgt dafür, dass es nicht davonläuft. Und haltet Euch bereit, mir eine andere Waffe zu bringen, falls ich entwaffnet werde.«
Jessan umklammerte sein Messer, und einen Augenblick lang fürchtete Wolfram, dass der junge Mann sich dem Ritter widersetzen würde. Aber Jessan kannte seine Grenzen, wie sie ihm auch auf dem Schlachtfeld bewusst gewesen wären. Er war schließlich der Neffe eines Trevinici-Kriegers und daran gewöhnt, zu gehorchen und Befehle entgegenzunehmen. Der Ritter war älter als er und damit der Kommandant. Er hatte Jessan mit Hochachtung behandelt und ihm eine ehrenvolle Aufgabe übertragen.
»Ich bin Jessan, Sohn von Reißender Bär. Ich werde Euch nicht enttäuschen, Herr«, sagte der junge Mann schließlich.
Er hatte in Trevini gesprochen, eine seltene Ehre für den Ritter, obwohl der Mann zu abgelenkt war, um es zu bemerken. Er nickte einfach und wandte sich wieder seinem Feind zu.
Jessan lief zu dem Pferd, das ruhig unter den Bäumen stand. Das Tier hatte kein Anzeichen von Fluchtbereitschaft an den Tag gelegt. Wolfram, der sich mit Pferden auskannte wie alle Zwerge, sah, dass er es mit einem hervorragend ausgebildeten Schlachtross zu tun hatte, einem jener Tiere, die auch dann noch stehen blieben, wo ihr Herr es ihnen befohlen hatte, wenn der Himmel einstürzte. Dieser Ritter wusste sich wirklich rasch zu helfen, selbst in größter Gefahr, und er kannte sich mit stolzen jungen Männern aus.
Bashae riss sich aus dem Griff des Zwergs los und ging zu dem Pferd. Er streichelte ihm bewundernd den Hals und sprach leise mit ihm. Er benutzte die Gemeinsame Sprache, an die das Pferd wohl am ehesten gewöhnt war, und fragte es, ob es Wasser brauchte. Das Pferd hörte und verstand ihn offenbar, denn es zuckte mit den Ohren, starrte aber weiterhin aufmerksam seinen Herren an, als wartete es darauf, gerufen zu werden. Jessan schnallte eine Kampfaxt vom Sattel, hielt sie fest umklammert und wartete ebenso wie das Pferd. Das dunkle, trüber werdende Wasser begann zu wirbeln und zu kochen. Es war deutlich spürbar, dass sich dort etwas Böses näherte, und dieses Gefühl schien jedes Geräusch zu dämpfen, so dass Wolfram nur noch seinen eigenen Herzschlag vernahm. Das Böse verschluckte alles Licht, so dass die Sterne verschwanden und die Finsternis vollkommen wurde. Das Böse brachte den Wind zum Schweigen, woraufhin der Zwerg nur noch die erstickende Hitze spürte, die in Wellen vom Boden aufstieg. Das Böse riss ihm die Luft aus den Lungen, so dass er keuchend nach Atem rang.
»Ein Vrykyl«, sagte Wolfram leise. »Ich sollte verschwinden.« Schwitzend und keuchend riss er den Blick von dem trüben Wasser los. »Das hier ist nicht mein Kampf.« Er wich einen Schritt zurück. »Diese jungen Leute gehen mich nichts an. Und der Ritter – die Götter mögen ihm beistehen! – auch nicht.« Ein weiterer Schritt rückwärts. »Ich habe das getan, weshalb ich hergekommen bin, habe gefunden, was ich finden sollte. Meine nächste Aufgabe besteht darin, am Leben zu bleiben, um darüber Bericht zu erstatten. Der Ritter selbst hat mir befohlen zu fliehen, und ich stimme vollkommen mit ihm überein.«
Vielleicht war es Schicksal, vielleicht die Götter. Vielleicht war es die Unentschlossenheit des Zwerges oder der Armreif. Vielleicht war es nichts weiter als die Arbeit eines fleißigen Murmeltiers. Beim dritten Schritt rückwärts, mit dem er sich umdrehen und um sein Leben rennen wollte, sank Wolframs Stiefelabsatz in ein Loch im weichen Boden. In seinem ersten Schreck glaubte der Zwerg, das Böse hätte ihn am Fuß gepackt. Er schrie erschrocken auf, fiel hin und verrenkte sich den Fußknöchel.
Das dunkle Wasser schäumte und kochte. Ein schwarzes Pferd mit einem schwarz gepanzerten Reiter kam durch das Portal. Das unheimliche Licht des Portals berührte beide nicht und schien auch nicht auf das feuchte Fell des Pferdes,
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