Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
Entscheidung trifft. Dein Urteilsvermögen ist getrübt. Du befindest dich halb in dieser Welt, halb im Reich der Finsternis.«
Gustav seufzte. Er wusste, dass sie Recht hatte. »Ja, die Last wurde mir von den Göttern auferlegt. Aber wenn nicht ich diese Wahl treffe, wer dann, Großmutter?«
»Du selbst hast bereits die Antwort gegeben«, erwiderte sie und legte ein kühles Tuch auf seine glühende Stirn. »Die Götter haben dir diese Last auferlegt. Sie werden entscheiden, wer sie wieder aufnehmen wird, wenn du sie niederlegst.«
»Und wie soll das geschehen?«
Sie warf einen Blick zu der Decke, die vor der Tür hing. »Die nächste Person, die durch diese Tür kommt, ist der Auserwählte der Götter.«
Gustav dachte darüber nach. Es fühlte sich ganz richtig an. Die Götter hatten ihm den Stein der Könige anvertraut. Die Götter hatten ihm die Kraft gegeben, sich gegen den Vrykyl zu verteidigen, auch wenn es ihn sein Leben gekostet hatte. Er hatte seinen Teil geleistet. Jetzt waren die Götter wieder an der Reihe.
Gustav holte tief Luft und nickte. Er richtete den Blick auf die Decke, die vor der Tür hing. Die Großmutter lehnte sich zurück und wartete mit ihm.
»Onkel«, sagte Jessan an diesem Morgen. »Bashae macht sich Sorgen um den sterbenden Ritter. Bashae denkt, der Mann macht sich Gedanken wegen irgendeiner unerledigten Angelegenheit. Er hat schon davon gesprochen, als wir ihn trafen. Bashae bittet dich, den Kranken zu besuchen und zu sehen, ob es vielleicht irgendetwas gibt, was du für ihn tun kannst.«
Rabenschwinge schüttelte den Kopf. »Der Mann kommt aus Vinnengael und ist ein Paladin. Angeblich haben sie magische Kräfte, obwohl ich nicht weiß, ob das stimmt. Ich habe keine Ahnung, was ich tun könnte, um ihm zu helfen. Und ich habe fast keine Zeit mehr. Wir müssen übermorgen losreiten.«
»Ich weiß.« Jessan grinste bei dem Gedanken aufgeregt. »Das habe ich Bashae auch schon gesagt. Aber vielleicht wird es helfen, wenn du einfach nur mit ihm sprichst. Außerdem würde es Bashae beruhigen.«
Rabe zuckte die Achseln. »Na gut. Ich werde heute mit dem Ritter reden, und wenn es in meiner Macht steht, ihm zu helfen, werde ich das tun. Es bleibt uns nur nicht mehr viel Zeit. Du hast noch viel zu tun, wenn du bereit sein willst, in zwei Tagen mit mir zu kommen. Du hast die Pfeilspitzen, jetzt musst du die Pfeile herstellen. Du wirst ein Messer zum Essen, eines zum Jagen und eines zum Kämpfen brauchen. Hammer schlag wird sie für dich herstellen, aber du musst ihm helfen und ihn im Auge behalten. Er ist träge und wird schlampig arbeiten, wenn du es ihm gestattest. Du brauchst ein Lederhemd und eine Hose für die Reise – «
»Schon gut, Onkel.« Jessan hob die Hand, um den Wortschwall abzuwehren.
»Und das sind nur die Anordnungen für heute. Morgen gibt es mehr«, rief Rabe dem jungen Mann hinterher, der sich, ein Marschlied pfeifend, zum Schmied aufmachte.
Rabenschwinge verließ sein Haus und hatte vor, zu dem Ritter zu gehen und dem Sterbenden seine Dienste anzubieten. Die Sterbenden hatten ein Recht auf die Hilfe derer, die sie überleben würden, und obwohl Rabe nicht viel Zeit hatte, würde er tun, was er konnte, um dem Mann die letzten Stunden zu erleichtern. Wenn das bedeutete, einen jungen Krieger zu finden und ihn nach Vinnengael zu schicken, um eine Nachricht zu überbringen oder auch die Leiche selbst, oder was immer sonst der Ritter wünschte, würde Rabe sich darum kümmern, dass den Wünschen des Mannes Genüge getan wurde.
Seine Schritte und seine Gedanken hatten sich schon dem Heilerhaus zugewandt, als er ein Zischen hinter sich hörte.
Rabe ging weiter und drehte sich nicht um. Er wusste genau, wer da zischte, wusste, dass es gegen ihn gerichtet war. Er hatte beschlossen, nicht darauf zu achten. Seine Schwester konnte auch normal mit ihm sprechen. Er würde nicht auf die Worte einer Schlangenzunge antworten.
»Rabe!«, rief Ranessa scharf. Ihre Stimme wurde schriller. »Rabe!«
Seufzend blieb Rabe stehen und drehte sich um. Ranessa hockte im Schatten ihres Hauses und winkte ihn herrisch mit der Hand, die sie wie eine Vogelklaue gekrümmt hatte, zu sich. Sie war in eine alte Decke gewickelt, die sie über ihr weites Lederkleid geworfen hatte. Sie war schmutzig und scherte sich nicht darum, wie sie aussah.
Aber warum sollte sie auch?, dachte Rabe, und seine Schritte wurden unwillkürlich langsamer. Sie wird nie heiraten. Kein Mann wird sie haben wollen.
Die
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