Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
sollten zusammenbleiben, hast du immer gesagt, und ich bin deiner Ansicht. Verwandte sollten tatsächlich zusammenbleiben, Onkel. Nimm mich mit nach Dunkar!«
»Das geht nicht, Jessan«, sagte Rabe. »Die Götter haben ihre Wahl getroffen.«
Jessan verlor die Geduld. »Die Götter! Ha! Ja, wenn die Götter die Gestalt einer vertrockneten, alten Pecwaefrau angenommen haben. Einer Frau, die durchaus den Verstand verloren haben könnte. Onkel, ich – «
Rabes Schlag traf Jessan direkt auf den Mund und warf ihn zu Boden. Rabe hatte sich nicht zurückgehalten. Er hatte gewollt, dass der Schlag und die damit verbundene Lektion den Jungen wirklich erreichten.
Jessan setzte sich auf und schüttelte seinen schmerzenden Kopf. Er spuckte einen Zahn aus und wischte sich Blut aus dem aufgerissenen Mundwinkel. Er warf einen kurzen Blick auf seinen Onkel und wandte sich dann wieder ab. Er hatte Rabe noch nie so zornig gesehen.
»Ein Krieger spricht nicht so respektlos von den Göttern«, erklärte er mit vor Wut zitternder Stimme. »Die Götter halten das Leben eines Kriegers in ihren Händen. Ich bin überrascht, dass sie diese Hände noch nicht zu einer Faust geballt, sondern sie statt dessen geöffnet haben, um dir eine große Ehre zu gewähren. Außerdem spricht ein Krieger nicht respektlos von denen, die älter sind als er. So etwas zeugt von einem gemeinen, jämmerlichen, feigen Wesen.«
Langsam kam Jessan wieder auf die Beine. Er sah seinen Onkel direkt an. Er wusste, dass er einen Fehler gemacht hatte, und er akzeptierte seine Strafe. »Es tut mir Leid, Onkel«, sagte er. »Ich habe gesprochen, ohne nachzudenken.« Er wischte sich noch mehr Blut ab. »Bitte verzeih mir.«
»Ich bin nicht derjenige, den du beleidigt hast«, meinte Rabe grimmig. »Bitte die Götter um Verzeihung.«
»Das werde ich tun, Onkel«, versicherte Jessan.
»Du kannst die Großmutter nicht um Verzeihung bitten, denn das würde bedeuten, dass du wiederholen müsstest, was du über sie gesagt hast, und ich verlasse mich darauf, dass Worte wie diese nie wieder über deine Lippen kommen. Aber von nun an wirst du all ihre Bitten erfüllen, ganz gleich, was es sein mag, und zwar ohne ein Wort des Widerspruchs. Auf diese Weise wirst du für deine Unverschämtheit büßen.«
»Ja, Onkel«, erwiderte Jessan bedrückt.
Er war zu der Ansicht gekommen, dass sein Onkel ihn aus irgendwelchen Gründen nicht mit nach Dunkar nehmen wollte. Es konnte keine andere Erklärung geben. Rabenschwinge war ein frommer Mann, aber er hätte irgendwie einen Weg gefunden, mit den Wünschen der Götter zurechtzukommen, wenn er es gewollt hätte, dessen war Jessan sich sicher. Er konnte sich nicht vorstellen, was er getan haben sollte, um seinen Onkel so gegen sich aufzubringen.
Rabe starrte seinen Neffen noch einen Augenblick lang wütend an, dann nahm er den jungen Mann in die Arme und drücke ihn fest an sich.
»Du wirst in fremde Lande ziehen, Jessan«, sagte Rabe, ließ den jungen Mann wieder los und schob ihn ein Stück von sich weg. »Du wirst Länder sehen, die ich nie betreten habe. Länder, die keiner von unserem Volk je betreten hat. Du wirst fremde Völker sehen, von fremden Bräuchen erfahren, fremde Sprachen hören. Behandle alle mit Respekt. Vergiss nicht, dass du für sie ebenfalls ein Fremder bist.«
Jessan nickte. Er traute seiner Stimme nicht genug, um etwas zu sagen.
»Ich werde mich jetzt von dir verabschieden«, fuhr Rabe fort. »Wenn du von dieser Reise zurückkehrst, zieh weiter nach Dunkar; ich werde dort auf dich warten.«
»Danke, Onkel«, antwortete Jessan mit brechender Stimme.
Der Augenblick war unangenehm. Beide Männer empfanden das.
»Ich dachte, du würdest erst morgen weiterziehen, Onkel«, sagte Jessan schließlich.
»Etwas ist geschehen«, erwiderte Rabe ausweichend. »Ich habe Neuigkeiten. Ich muss auf meinen Posten zurückkehren.«
»Vergiss die Rüstung nicht«, sagte Jessan.
»Ganz bestimmt nicht«, erwiderte Rabe trocken. »Darauf kannst du dich verlassen.«
»Ich weiß nicht, was über ihn gekommen ist«, sagte Jessan zu Bashae. »Onkel Rabe benimmt sich seltsam, seit ich ihm die Rüstung gegeben habe. Oh, er sagt, er freut sich darüber, aber ich glaube nicht, dass er es ehrlich meint. Weißt du, inzwischen wünschte ich, ich hätte getan, was der Zwerg gesagt hat, und die Rüstung weggeworfen. Er sagt, ich soll nicht nach Dunkar mitkommen. Ich soll mit dir gehen.«
Bashae jauchzte vor Freude. Aber als er die
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