Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
mir sowieso nicht mehr, also ist es egal, was ich zu mir nehme.«
»Ich werde in einem fremden Land begraben werden«, sagte Gustav. »Mir ist das gleich. Ich habe keine Kinder, die sich in meiner Heimat um mein Grab kümmern würden. Aber Ihr habt viele Kinder und Enkel – das hat Bashae mir zumindest erzählt. Eure Kinder sind alle hier begraben. Wollt Ihr nicht neben ihnen bestattet werden?«
»Eigentlich nicht«, erwiderte die Großmutter abfällig. »Sie waren eine einzige Enttäuschung für mich. Immer haben sie von mir erwartet, dass ich mich um sie kümmere, und zweifellos erwarten sie jetzt auch in der Schlafwelt dasselbe. Sie stehen schon alle da mit ihren leeren Tellern und warten, dass ich ihnen noch mehr gebe. Nun, ich fürchte, sie werden hungern müssen. Sollen sie doch nach mir suchen. Es wird ihnen gut tun.«
Gustav lächelte. »Schick nach dem Neffen«, sagte er.
Bashae hatte vor dem Zelt gewartet. Er kam herein, leise und still und kniete sich neben den Sterbenden.
»In diesem Rucksack«, sagte Gustav zu Bashae, »befindet sich, was ich Lady Damra schicken will. Du darfst es nur ihr und niemandem sonst überreichen.«
Er musste sich anstrengen, um den Rucksack anzuheben. Für seine geschwächten Armmuskeln fühlte es sich an, als bestünde er aus Eisen.
Bashae nahm ihn ihm vorsichtig ab.
»Ja, Herr«, sagte der junge Pecwae.
»Du darfst ihn öffnen«, antwortete Gustav.
Bashae spähte hinein. »Dieser Ring?«, meinte er und holte einen silbernen Ring mit einem fliederfarbenen Stein heraus.
»Ja, der Ring«, bestätigte Gustav. »Gib ihn Lady Damra. Sag ihr, in diesem Rucksack befände sich der wertvollste Edelstein der Welt, und er komme von mir, der sein Leben lang nach diesem Edelstein gesucht hat. Ich gebe ihn ihr, damit sie ihn an seinen endgültigen Bestimmungsort bringt.«
Bashae warf der Großmutter einen zweifelnden Blick zu. »Es ist nur ein Amethyst«, sagte er flüsternd.
»Vielleicht sind sie den Elfen mehr wert«, warf die Großmutter ein. »Wie Türkise.«
»Selbstverständlich«, meinte Bashae, der sich an den gierigen Blick des Elfen in Wildenstadt erinnerte. »Das muss der Grund sein.«
»Es ist wichtig, dass sie den Rucksack ebenfalls erhält«, sagte Gustav ernst. »Lady Damra hat mir diesen Rucksack geschenkt. Er ist magisch, und er ist ebenfalls wertvoll.«
»Magisch!«, rief Bashae ehrfurchtsvoll. »Was kann er denn?«
»Das wird Lady Damra euch zeigen«, sagte Gustav. »Ich habe nicht mehr die Kraft dazu. Verratet niemandem etwas von seiner Magie. Versprich mir das. Wenn ihr es tut, dann würden sie vielleicht versuchen, ihn euch abzunehmen, und das darf auf keinen Fall geschehen.«
»Ja, Herr«, versicherte Bashae ehrlich, und er schaute ein wenig beunruhigt drein.
Das ist gut gegangen, dachte Gustav. Er hatte dem jungen Mann keine Angst einjagen wollen, aber gehofft, ihm deutlich zu machen, wie ernst dieser Auftrag war. Er verließ sich darauf, dass die beiden eine sichere und ereignislose Reise haben würden. Aus diesem Grund hatte er Wolfram den Kasten gegeben, in dem der Stein der Könige sich befunden hatte. Wenn die Augen, die er in seinen Träumen sah, wirklich nach dem Stein suchten, dann würden sie vielleicht von den Spuren der Magie im Kasten angezogen werden. Der Stein selbst, verborgen in der magischen Zeitfalte des Rucksacks, würde sehr schwer zu finden sein. Und wenn die verfluchte Rüstung des Vrykyl in eine andere Richtung reiste und der Kasten mit der Aura gesegneter Magie in eine weitere, sollten die Verfolger genügend von den beiden jungen Männern abgelenkt sein. Und von der Großmutter.
Auf seine Bitte hin betrat auch Jessan, der junge Krieger, das Heilerhaus. Bashae zeigte ihm den Rucksack, ging die Anweisungen noch einmal durch und hielt die ganze Zeit Gustav im Auge, um sich zu vergewissern, dass er es richtig wiederholte.
Gustav winkte den jungen Mann zu sich.
Jessan, dessen Miene in solcher Nähe zum Tod ernst war, kniete an der Seite des Ritters nieder.
»Folgt dem Großen Blauen Fluss bis zum Meer von Redesh«, sagte Gustav, dessen Stimme jetzt nur noch ein Flüstern war. Er musste häufig innehalten, um Luft zu holen. Diese einfache Bewegung geschah nicht mehr als Reflex, sondern musste bewusst und mit schmerzlicher Anstrengung durchgeführt werden. »Reist auf dem Meer nördlich bis zur Stadt Mynamin im Südteil des Landes Nimorea. In Mynamin geht in die Straße der Drachenbauer. Fragt nach einem Mann namens Arim. Sagt
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