Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
eine Idee im Kopf hatten, gaben sie nicht auf, ehe sie sie ausgeführt hatten. Wenn Rabe jetzt nicht mit dem Mann sprach, würde der Kommandant ihn weiter plagen, und er würde keine Ruhe mehr haben. Also wollte er es lieber hinter sich bringen. Rabe erhob sich also und begleitete den Offizier zur Kaserne.
Kommandant Drossel führte Rabe in ein stilles Zimmer in dem großen Blockhaus. Das Zimmer war leer bis auf einen Tisch und ein paar Stühle. Es gab keine Fenster, nur Öffnungen oben an den Wänden, damit die Luft zirkulieren konnte. Rabe fühlte sich schon erstickt, als er hier eintrat.
Kommandant Drossel zeigte auf einen Stuhl. Rabe blieb stehen, denn er wusste, dass es wahrscheinlich noch länger dauern würde, wenn er sich hinsetzte. Drossel lächelte und zeigte abermals auf den Stuhl. Um sein Angebot verlockender zu machen, wies der Dunkarganer auf eine Kanne und ein paar kleine Keramikbecher auf dem Tisch. Dampf stieg aus dem Krug auf. Ein verführerischer Duft erfüllte das Zimmer. Rabe schnupperte anerkennend.
»Wir haben viel zu besprechen, Hauptmann«, sagte Drossel entschuldigend, als wüsste er, wie Rabe in diesem engen Raum zu Mute war. »Kaffee?«
Nicht alle Trevinici mochten das dunkarganische Getränk, das als Kaffee bekannt war, und viele behaupteten, es röche erheblich besser als es schmeckte. Rabe trank es zufällig recht gern. Also setze er sich hin und sah zu, wie der Kommandant die dicke, schwarze Flüssigkeit in den kleinen Becher goss. Der Kaffee war mit Honig gesüßt, aber immer noch bitter. Rabe trank einen sehr kleinen Schluck und kniff wegen der Bitterkeit die Augen ein wenig zusammen. Nachdem er sich daran gewöhnt hatte, konnte er den Geschmack der gerösteten Bohnen und des Honigs genießen.
»Ihr seid früh wieder zurückgekehrt«, meinte Drossel und trank seinen eigenen Kaffee.
Rabe zuckte die Achseln und sagte nichts dazu. Das war seine Angelegenheit und nicht die des Offiziers.
Drossel erklärte lachend, dass man die meisten Soldaten beinahe mit Gewalt aus dem Urlaub zurückholen musste. Rabe achtete nicht sonderlich auf das, was der Mann sagte. Dunkarganer waren dafür bekannt, ihre Zeit mit Gerede zu verschwenden, das nichts aussagte. Rabe nippte an seinem Kaffee. Er hatte lange keinen Kaffee mehr getrunken. Die Bohnen waren teuer, und er hatte nie richtig gelernt, wie man welchen kochte. Rabe konnte sich nicht daran erinnern, dass Kaffee auf ihn je so entspannend gewirkt hätte. Als er das letzte Mal welchen getrunken hatte, war er danach eher übermäßig wach gewesen. Diesmal schienen alle Muskeln zu erschlaffen. Seine Lider senkten sich. Er musste sich darauf konzentrieren, zu hören, was der Mann da eigentlich sagte.
Drossel beobachtete Rabe forschend, dann setzte er sich auf den Tisch direkt vor ihn.
»Ihr wart letzte Nacht im Tempel der Magier, nicht wahr, Hauptmann?« Rabe blinzelte den Mann an. Er hatte nicht vor zu antworten und war verblüfft zu hören, dass seine eigene Stimme dennoch genau das tat. »Ja, ich war dort. Warum?«
»Ihr habt dort eine Rüstung abgegeben, die Ihr gefunden habt, glaube ich«, fuhr Drossel freundlich fort. »Eine schwarze Rüstung. Eine sehr seltsame Rüstung.«
»Verflucht«, sagte Rabe. Er wollte nicht darüber sprechen. Über diese Rüstung zu sprechen war gefährlich, aber er schien es trotzdem zu tun.
»Woher kam die Rüstung, Hauptmann?«, fragte Drossel, und seine Stimme war nun weniger angenehm, dafür aber schärfer geworden. »Ihr sagtet, Ihr hättet sie gefunden. Wo habt Ihr sie gefunden?«
Rabe versuchte aufzustehen und zu gehen, aber er konnte nicht richtig laufen und taumelte wie ein Betrunkener. Drossel führte ihn zurück zu dem Stuhl, und die Fragen begannen aufs Neue. Die gleichen Fragen, wieder und wieder.
Rabe sah die Rüstung, schwarz und ölig, er sah Jessan, wie er die Decke zurückzog und ihm die Rüstung schenkte, er sah Ranessa, die sich mit Nägeln wie Krallen auf ihn stürzte, er sah den sterbenden Ritter Gustav, er sah, wie Bashae ins Lager gelaufen kam und seine Geschichte erzählte, er sah den Zwerg Wolfram, gehetzt und verängstigt. Rabe hatte den Zwerg nicht gemocht. Daran erinnerte er sich ganz genau. Er sah all dies und wusste, dass er eigentlich nicht darüber sprechen wollte, aber sein Mund pflückte Bilder aus seinem Kopf und spuckte sie aus.
Nur manchmal, wenn die Gefahr so groß war, dass er es kaum ertragen konnte, war er im Stande, die Worte aufzuhalten, aber das erforderte
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