Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
rief ihr Reittier herbei, ein Geschöpf, das als Equis bekannt war, ein Dämonenpferd, geboren aus der Leere. Sie stieg auf und griff nach den Zügeln, aber sie befahl dem Tier noch nicht, sich zu bewegen. Sie schaute noch einen Augenblick den Taan zu, wie sie um die Feuer saßen oder kämpften und herumtollten, um den Sieg ihres Gottes zu feiern. Sie schaute auch zu den Mauern von Neu-Vinnengael hin, auf denen die Soldaten standen und sich grimmig bereitmachten, ihre Stadt und ihren neuen König zu verteidigen.
»Arme Schweine«, sagte sie mit kühlem Mitleid, dann wandte sie ihr Reittier nach Norden, nach Tromek.
Dagnarus hatte vor, die Menschen von Neu-Vinnengael zu verängstigen, indem er die Taan vollziehen ließ, was man als ein Übungsmanöver bezeichnen mochte, und er hatte damit großen Erfolg. Die Soldaten auf den Mauern sahen schockiert und staunend zu, wie die Taan sich eifrig und unter Freudengeschrei in den Kampf stürzten und einander mit einer Heftigkeit bekämpften, die so manchen am Boden liegend und blutend zurückließ. Und dabei handelte es sich nur um Übungskämpfe!
Dagnarus hatte auch vor, die Taan damit zu schwächen, sie zu ermüden, die Anzahl der Kampffähigen zu verringern und ihren Kampfeswillen zu ermatten, und auch damit hatte er Erfolg. Als es Nacht wurde, waren die meisten Krieger entweder todmüde oder schlicht und einfach tot.
Die Taan schliefen in dieser Nacht gut, sei es in ihren Zelten oder in den Armen von Lokmirr, der Göttin des Kampfes. Die einzigen Vinnengaelier, welche schliefen, waren Kinder, die noch zu klein waren, um Angst zu haben, und jene, die ihre Angst in Branntwein ertränkten. Zum Glück gab es nur wenige von den Letzteren, denn Dagnarus hatte ein Edikt erlassen, das unter anderem vorsah, alle Schänken, Gasthäuser und Brauereien zu schließen, bis die derzeitige Krise ein Ende gefunden hatte.
Kriegsmagier, Freiwillige und die Armee arbeiteten die ganze Nacht hindurch, damit am Morgen alles bereit war. Menschen wurden aus Läden und Wohnhäusern nahe dem Haupttor evakuiert und in einen sichereren Teil der Stadt gebracht. Sie errichteten Barrikaden, welche alle Hauptstraßen blockierten, kippten Wagen und Karren auf den Straßen um, warfen Möbel, Holztruhen, Bierfässer darauf und hoben sogar schwere Holztore aus den Angeln und fügten sie dem wachsenden Haufen hinzu.
Tuchmacher lieferten ganze Ballen von Tuch an die Heiler, damit es für Verbände benutzt werden konnte. Im Hospital wurden zusätzliche Betten aufgestellt. Alle Patienten, die nicht schwer krank waren, wurden nach Hause geschickt, um für die zu erwartenden Verwundeten Platz zu machen.
Soldaten und Bogenschützen versteckten sich in den geräumten Wohnhäusern und Läden, dann versuchten sie, vor dem Morgen noch ein wenig zu schlafen. Novizen stiegen auf die Dächer und trafen die notwendigen Vorbereitungen für die Kriegsmagier. Sie brachten Unmengen von Kerzen für jene mit, welche Feuermagie wirken würden, und schleppten Wasserschläuche und Essen hinauf, um die Kämpfer bei Kräften zu halten.
Die Arbeiten wurden im Licht des Mondes oder mit Hilfe von Fackeln erledigt und zudem mit so wenig Lärm und Unruhe wie möglich, denn die Taan durften nicht argwöhnen, dass in der Stadt etwas Ungewöhnliches vor sich ging. Dagnarus befahl, alle Abflusskanäle zu blockieren und die Eingänge mit Flusswasser zu überfluten, um alle Taan aufzuhalten, welche es sich vielleicht in den Kopf setzen würden, die Stadt auf diesem Weg zu betreten.
Er kam selbst aus dem Palast, um die Arbeiten zu inspizieren, und mehr als ein braver Bürger war verblüfft, dass der neue König an diesem Abend direkt neben ihm arbeitete, fröhlich den Rücken unter Säcken bog oder mit anfasste, wenn es darum ging, für eine Barrikade einen Wagen umzukippen. Selbstsicher, fröhlich und leutselig versetzte Dagnarus alle, die mit ihm zu tun hatten, in bessere Laune.
Rigiswald streifte durch die Straßen, beobachtete die Vorbereitungen, und wieder empfand er widerstrebend Bewunderung für Dagnarus, als er ihn beobachtete und ihm lauschte.
Rigiswald ging nachdenklich und bekümmert davon. Er hatte nie einen Mann kennen gelernt, der von Natur aus so geeignet war, König zu werden. Wäre Dagnarus als ältester Sohn zur Welt gekommen, würde er jetzt vielleicht friedlich im Grab ruhen, geehrt und geachtet als guter, weiser Herrscher. Wirklich, die tragischsten Worte in den Sprachen aller Völker lauteten »was,
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