Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
Dagnarus die Stadt Neu-Vinnengael ganz allein erobert und die Bevölkerung ihn zu ihrem Gott erklärt hatte. Sie erklärte, die Taan sollten diesen Anlass mit einem Göttertag feiern.
Obwohl die Taan abermals enttäuscht waren, dass es keine Kämpfe geben würde, murrten sie nicht wie an den vorangegangenen Tagen. Immerhin hatte man ihnen versprochen, dass sie am nächsten Morgen in die Stadt eindringen und nehmen konnten, was sie wollten.
Nichts liebten die Taan mehr als einen Göttertag. Es würde Geschichtenerzählen und kräftiges Essen geben, heruntergespült mit großen Mengen von Topaxi. Das Beste an einem Göttertag waren jedoch die Kdah-klk – rituelle Kämpfe zwischen Stammesmitgliedern, welche früher einmal dazu gedient hatten, einen Anführer zu finden, nun aber die Fähigkeiten der jungen Krieger prüften und es den älteren ermöglichten, im Rang aufzusteigen.
Um diesen Tag des Triumphs zu feiern, sollten Calaths gegen Calaths gestellt werden. Das bedeutete, dass ganze Kampfgruppen gegeneinander antreten würden, und die Sieger würden wertvolle Geschenke erhalten. Die Taan waren begeistert.
»Ihr müsst gut kämpfen«, sagte der Kyl-sarnz ihnen, »denn die Xkes der Stadt werden Zeugen eures Mutes sein.«
Bei diesen Worten zeigte Valura auf die Mauern, wo Menschen auf den Zinnen standen und über den Fluss hinweg zum Lager der Taan starrten. Die Taan jubelten und schlugen gegen ihre Schilde.
Nachdem Valura ihre Befehle ausgeführt hatte, überließ sie die Verantwortung für die Einzelheiten des Göttertags den Mitgliedern des Schwarzen Schleiers, einer Elitegruppe von Schamanen.
Valura selbst hatte Befehl, nach Tromek zurückzukehren, ins Elfenland, um den Schild in seinem Kampf gegen den Göttlichen zu unterstützen. Dagnarus schickte sie weg, und sie wusste, dass er ihr nie gestatten würde, jemals zurückzukehren.
Sie wollte bei Dagnarus sein. Sie wollte seinen Sieg mit ihm teilen, wollte bei ihm sein, wenn er endlich erhielt, wofür er so lange gearbeitet und gekämpft und wofür er so vieles geopfert hatte. Sie wollte anwesend sein, wenn er zum König von Vinnengael gekrönt wurde. Sie hatte ihn angefleht, sie zur Krönung kommen zu lassen, damit sie ihren Platz unter den Vinnengaeliern einnehmen konnte in der Gestalt der schönen und bezaubernden Elfenfrau, die er einmal geliebt hatte.
Dagnarus weigerte sich. Es war nicht der richtige Zeitpunkt, sagte er. Valura würde nach Neu-Vinnengael kommen, aber nicht jetzt. Wenn der Schild nach Vinnengael kam, um Dagnarus die Herrschaft über Tromek zu übergeben, konnte Valura ihn begleiten. Dann würde Dagnarus sie gern an seinem Hof willkommen heißen.
Valura wusste, dass er sie anlog. Sie wusste es, selbst wenn er es selbst noch nicht wusste.
»Er wird mich niemals in seine Stadt lassen. Meine Anwesenheit würde seinen Freudentag verderben. Jeder andere auf der Welt würde die Illusion einer schönen Elfenfrau sehen, mit Haut, welche so weich ist wie Blütenblätter, rosigen Lippen und strahlenden Mandelaugen. Wenn
er
mich ansieht, sieht er jedoch einen Totenschädel, die leeren Augenhöhlen und das starre Grinsen. Ich bin für ihn eine ständige Mahnung. Ich habe meine Seele gegeben, um bei ihm sein zu können, und nun verabscheut er schon meinen Anblick. Jedes Mal, wenn er mich ansieht, sieht er, was er in Wahrheit ist – der Lord der Leere.«
Dagnarus wollte nicht mehr Lord der Leere sein. Er wollte König von Vinnengael sein. Er wollte Valuras Liebe nicht, die dunkel und vom Bösen besudelt war. Er wollte die Liebe der Lebenden, wollte ihre Anbetung. Wenn er Valura verbannte, verbannte er einen Teil seines Lebens.
Darauf vertraute er. Das hoffte er. Aber er gab sein Vertrauen dem Falschen – sich selbst. Und auch seine Hoffnung würde sich nicht erfüllen, denn sie hing ebenfalls allein von ihm ab. Im Augenblick freute er sich über sein glänzendes neues Spielzeug. Er war damit zufrieden, sanft damit zu spielen, damit es nicht zerbrach. Aber im Lauf der Zeit würde es ihm langweilig werden, die Farbe würde abblättern, die Räder abfallen. Das Spielzeug würde ihn enttäuschen und seinen leidenschaftlichen Ehrgeiz nicht mehr befriedigen. Er würde seiner müde werden. Er würde es beiseite werfen und ein neues suchen, und dann wieder ein anderes.
Wehe denen, welche ihm vertrauten und sich auf ihn verließen wie diese jämmerlichen Taan und wie Valura. Er trank ihr Blut, stahl ihre Seelen und gab ihnen nichts zum Ausgleich.
Sie
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