Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
hinter den Fichten die Knie wehtaten, Wolfram dazu, etwas zu unternehmen.
Er stand auf, verzog das Gesicht, weil seine Gelenke schmerzten, und schlich im Schutz der Dunkelheit auf das Haupttor zu. Er wartete, bis der Zwerg auf Wache ihm den Rücken zugewandt hatte und in die Gegenrichtung ging, dann huschte er hinter den Bäumen entlang und rannte die Treppe hinauf und durch die Tür. Er wäre beinahe mit einem beeindruckend aussehenden Zwerg und mit Feuer, dem Drachenweibchen, zusammengestoßen, welches die Gestalt einer Zwergenfrau angenommen hatte.
»Ah, Wolfram«, sagte Feuer ungerührt. »Wir waren gerade auf der Suche nach dir. Wolfram, das hier ist Kolost, der Oberste Clanführer. Kolost, das hier ist der Zwerg, von dem ich dir erzählt habe. Der, welcher dir helfen kann – Wolfram der Paladin.«
»Du bist Wolfram der Paladin?«, fragte Kolost.
»Ich heiße Wolfram«, sagte Wolfram. »Aber ich bin kein Paladin.«
»Feuer lügt also?« Kolost starrte Wolfram durchdringend an, und dieser konnte seinem Blick nicht begegnen.
»Sie lügt nicht«, sagte Wolfram und zog den Kopf ein. »Sie irrt sich. Sie irrt sich einfach, das ist alles.«
»Wie könnte sie sich irren?«
Wolfram zuckte mit den Schultern, behielt den Kopf eingezogen und murmelte ein paar leise Worte.
»Was hast du gesagt?«, wollte Kolost wissen.
»Es ist einfach nur der gleiche Name. Wolfram ist ein weit verbreiteter Name…«
Seine Worte fielen in einen Brunnen des Schweigens, wirbelten ins Dunkel hinab und landeten mit einem Klatschen. Kolost hatte die Arme verschränkt und betrachtete Wolfram mit gerunzelter Stirn. Der Clanführer konnte sich eindeutig nicht erklären, was hier los war, und mit der üblichen Zähigkeit der Zwerge machte er sich daran, es herauszufinden. Feuer beobachtete Wolfram mit einem geduldigen Lächeln wie eine Mutter, die das schlechte Benehmen eines Kindes duldet, weil sie weiß, dass das Kind sich irgendwann von selbst bessern wird.
Wolfram wusste, dass ihm endlose Stunden der Fragen von Seiten des Clanführers und endlose Stunden dieses verfluchten geduldigen Lächelns bevorstanden. Er gab auf.
»Also gut. Ich bin dieser Wolfram. Oder genauer gesagt, ich war einmal ein Paladin. Wir alle machen Fehler, wenn wir jung und dumm sind. Aber dann bin ich zu Verstand gekommen. Ich habe damit aufgehört.« Er riss sein Wollhemd über der Brust auf. »Ihr seht kein Medaillon an mir, oder etwa doch? Nein, das tut ihr nicht. Weil ich nämlich keins trage. Weil ich nämlich kein Paladin bin. Nicht mehr. Also, wenn das alles war, möchte ich jetzt schlafen. Und vorher brauche ich noch etwas zu essen.«
Er stapfte mit hoch erhobenem Kopf zu dem Tisch, auf dem die Mönche die abendliche Mahlzeit aufgebaut hatten. Tatsächlich hatte Wolfram den Appetit verloren, aber er machte ein großes Getue darum, wie hungrig er angeblich war. Er stapelte sich einen Berg von Brot, Käse und Räucherfleisch auf ein Holzbrett und brachte es in eine Ecke des Gemeinschaftsraums. Dort hockte er sich auf den Rand der Feuerstelle und fing an, wild auf dem Brot herumzukauen. Er beobachtete Feuer und Kolost aus dem Augenwinkel.
Die beiden steckten die Köpfe zusammen und unterhielten sich. Wolfram konnte einen Teil des Gesprächs hören und den Rest erraten. Kolost fragte nach dem Medaillon, welches Wolfram erwähnt hatte. Feuer erklärte, dass das Medaillon ein Geschenk der Götter an all jene war, die sich der schmerzlichen Veränderung zum Paladin unterzogen. Das Medaillon konnte den Paladin mit einer magischen Rüstung umgeben, welche ihn vor einem Angriff schützte und ihm auch gewisse magische Kräfte verlieh.
Wolfram musste sich anstrengen, um das Brot überhaupt herunterschlucken zu können. Mit Hilfe von Bier gelang ihm das schließlich, und dann machte er sich finster entschlossen an das Fleisch.
Feuer und Kolost beendeten ihr Gespräch, und Feuer verließ das Zimmer. Wolfram hoffte, dass Kolost ebenfalls gehen würde. Zu seinem großen Verdruss jedoch sah er, dass der Clanführer auf die Ecke zukam, wo Wolfram mit dem Rücken zum Feuer saß. Wolfram stöhnte innerlich.
Er betrachtete Kolost und versuchte, ein Gefühl für den Feind zu entwickeln. Dies war die erste gute Gelegenheit für einen Blick auf den Clanhäuptling, und Wolfram war erstaunt über das, was er sah. Kolost war durchschnittlich groß für einen Zwerg, aber er war schlank und wirkte daher größer. Sein Haar, die dichten Brauen und der lange Schnurrbart waren
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