Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
schwarz, die Augen dunkelbraun. Sein Gesicht war so sonnenverbrannt und vom Wind gegerbt, dass man sein Alter nur schlecht einschätzen konnte. Aus der Ferne hatte ihn Wolfram für einen Zwerg mittleren Alters gehalten. Nun, aus der Nähe betrachtet, sah Wolfram verblüfft, dass er einen noch recht jungen Mann vor sich hatte. Viel zu jung, um Clanführer zu sein.
Am meisten verwirrte Wolfram allerdings die Tatsache, dass Kolost kein Clanzeichen trug. Sein einziger Schmuck, wenn man das denn so nennen konnte, war die Kampfaxt, welche er sich auf den Rücken geschnallt hatte. Wolfram, ein guter Waffenkenner, hatte sie schon bemerkt, als Kolost mit Feuer gesprochen hatte. Die Axt war eindeutig eine Handwerksarbeit aus Karkara und noch dazu eine der schönsten, die Wolfram je gesehen hatte.
Kolost ging nun auf den Tisch zu, und Wolfram schöpfte wieder Hoffnung. Der Clanhäuptling wollte sich vielleicht nur einen Krug Bier holen. Kolost tat das tatsächlich, trank einen großen Schluck, rülpste zufrieden, kam dann zu Wolfram und hockte sich neben ihn an die Feuerstelle.
Die beiden waren an diesem Abend die einzigen Besucher im Kloster. Wolfram saß angespannt und mürrisch schweigend da und wartete auf die Bezichtigungen, die Beleidigungen, den Streit.
»Gutes Bier«, meinte Kolost. »Wenn man davon ausgeht, dass Menschen es gebraut haben.«
Wolfram schwieg und kaute weiter.
»Es könnte vielleicht helfen, wenn ich dir sagte, dass ich einmal ein Pferdeloser war«, fuhr Kolost fort. Dabei sah er Wolfram nicht an, sondern schaute in den Gemeinschaftsraum hinaus, zu dem Tisch, den Körben mit Brot und den Bierkrügen. »Ich wurde in Karkara geboren und bin dort auf gewachsen.«
Dieses verblüffende Geständnis hätte Wolfram beinahe dazu gebracht, sich an seinem Fleisch zu verschlucken. Er riss den Kopf hoch und starrte Kolost an.
»Aber du bist ein Clanführer.« Dann fiel ihm etwas ein. »Diese Männer da draußen – sie wissen das nicht, oder? Mach dir keine Sorgen. Ich werde dein Geheimnis wahren.«
»Sie wissen es«, antwortete Kolost. Er zog die dichten, dunklen Brauen zusammen, so heftig runzelte er die Stirn. Dann warf er Wolfram einen Seitenblick zu. »Ich wollte keine Lüge leben.«
Wolfram schnaubte. »Das klingt alles sehr gut, aber du kannst nicht von mir erwarten, dass ich ein einziges Wort davon glaube. Die Clans würden nie einen Pferdelosen aufnehmen und ihn erst recht nicht zum Clanführer machen. Wenn du versuchst, mich zu belügen …«
»Es ist die Wahrheit«, sagte Kolost ernst. »Ich bin nicht nur Clanführer, ich bin sogar Oberster Clanführer – der Herrscher des Zwergenvolks.«
Nach dieser Erklärung entspannte sich Kolost ein wenig und grinste spöttisch. »Selbstverständlich gibt es Clans, die meinen Anspruch bestreiten, aber damit habe ich gerechnet. Sie werden sich schon daran gewöhnen.«
Er prahlte nicht, sondern war einfach nur ausgesprochen selbstsicher, und als Wolfram ihn so anschaute und ihm zuhörte, konnte er nicht mehr an den Worten dieses Mannes zweifeln.
»Meine Eltern waren Pferdelose«, erzählte Kolost. »Meine Mutter war ein Krüppel. Bei einem Überfall ist ein Pferd auf sie gefallen. Ihre Beine sind nie wieder richtig geheilt, und ihre Eltern brachten sie nach Karkara. Sie war erst acht Jahre alt, als sie sie dort zurückließen. Die anderen Pferdelosen zogen sie groß, und schließlich hat sie meinen Vater kennen gelernt und geheiratet. Er war ein Gesetzloser, den man aus einem Clan vertrieben hatte, weil er eine Liebschaft mit der Frau eines anderen Manns unterhielt. Er arbeitete als Helfer eines Schmieds. Das wäre auch mein Handwerk geworden, aber der Wolf sagte mir, dass mein Schicksal nicht in Karkara liege. Der Wolf hatte nicht vorgesehen, dass ich mein Leben in einer rußigen Schmiede verbringe. Also riet er mir, meine Eltern zu verlassen, das Zwergengebirge zu überqueren und mir einen Clan zu suchen, der mich aufnehmen würde. Das tat ich. Ich war damals zwölf Jahre alt.«
Wolfram gab es auf, so zu tun, als äße er. Er starrte Kolost an und lauschte gebannt.
»Der Weg war lang und schwer. Ich litt Hunger und Durst. Ich habe mich verirrt. Aber immer, wenn ich Hunger hatte, hat der Wolf mich ernährt. Wenn ich mich verirrte, hat der Wolf mich geführt. Schließlich brachte er mich zum Stahlclan. Zuerst haben sie mich weggescheucht, wollten mich nicht ins Lager lassen. Ich habe nicht aufgegeben. Ich bin ihnen Tag und Nacht gefolgt. Ich hatte kein
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