Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
der sich vornübergebeugt hatte, unter den Bauch seines Pferds spähte und prüfte, ob der Sattelgurt fest genug geschnallt war.
»Kolost«, sagte ein Zwerg warnend. »Jemand kommt.«
Der Clanführer richtete sich auf und wandte sich Wolfram zu. Wenn Kolost in irgendeiner Weise selbstzufrieden gewesen wäre, wissend gelächelt hätte oder dergleichen, hätte sich Wolfram auf dem Absatz umgedreht und wäre gegangen. Aber die Miene des Clanführers war ernst und ruhig und verriet nichts, und daher blieb Wolfram.
»Wie lange ist dieser Diebstahl her?«, wollte er wissen.
Kolost dachte nach. »Der Vollmond ist dreimal aufgegangen, seit wir zu unserer Reise aufgebrochen sind.«
Wolfram war entsetzt. »Drei Monate?«
»Wir haben so lange gebraucht, um hierher zu gelangen«, stellte Kolost fest. »Wir sind keine Elfen. Wir können nicht fliegen.«
»Elfen können das auch nicht«, murmelte Wolfram.
»Das kann ich nicht wissen«, erklärte Kolost höflich. »Ich habe nie einen Elf gesehen.«
»Da hast du nicht viel verpasst.« Wolfram blieb nachdenklich stehen und wusste nicht, was er tun sollte. Er warf einen Blick zurück zu Kolost. »Ich weiß nicht, was du von mir erwartest. Bis wir wieder in Saumel sind, werden drei weitere Monate oder noch mehr vergangen sein. Dieser Dieb könnte inzwischen auf der andere Seite der Welt sein. Wahrscheinlich ist er das auch.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, es ist hoffnungslos. Wir können nichts tun. Aber ich komme viel herum. Ich werde mich ein bisschen umhören. Wenn ich etwas erfahren sollte …«
»Hallo, Wolfram«, sagte Ranessa hinter ihm. »Wer sind denn deine Freude?«
Wolfram zog die Zehen ein. Seine Haare sträubten sich. Er hätte sich mit Freuden vom Gipfel des Berges geschleudert, und einen Augenblick lang dachte er ernsthaft über diese Möglichkeit nach.
Ranessa war zum ersten Mal, seit sie ein Drache geworden war, in Menschengestalt erschienen. Er hatte vergessen, wie seltsam sie mit ihrem schwarzen, ungekämmten Haar aussah, das ihr in Strähnen ins Gesicht hing, mit der abgetragenen, nicht allzu sauberen Lederhose und dem Hemd und diesem wilden, halb wahnsinnigen Glitzern in den Augen.
Zwerge haben nicht viel für Menschen übrig. Die Clanzwerge wechselten säuerliche Blicke. Kolost schaute Wolfram streng und tadelnd an.
Wolfram hatte in Fringresisch geantwortet, der Sprache der Clanzwerge. Nun wechselte er zur Allgemeinen Sprache.
»Das ist kein guter Zeitpunkt, Ranessa«, knurrte er. »Du kannst mir später auf die Nerven gehen. Was willst du überhaupt hier, und noch dazu in diesem Aufzug?«
»Ich wollte sehen, ob du wirklich weg bist«, erwiderte Ranessa kalt. »Selbstverständlich war das nicht der Fall. Und was diesen ›Aufzug‹ angeht, wie du es nennst, so hat das damit zu tun, dass Feuer mir nicht erlaubt, in der Nähe des Klosters meine Drachengestalt anzunehmen. Sie befürchtet, ich könnte etwas zerbrechen.«
»Wer ist diese Menschenfrau, Wolfram?«, fragte Kolost in der Allgemeinen Sprache.
»Sie ist nicht wichtig«, behauptete Wolfram wieder in Fringresisch. »Eine Menschenfrau, die sich an mich gehängt hat. Ich kann sie einfach nicht los …«
»Ich heiße Ranessa«, unterbrach ihn Ranessa, richtete sich auf und betrachtete Kolost verächtlich. »Und ich bin ein Drache.«
»Ein Drache!«, wiederholte Kolost.
»Sie ist so verrückt wie ein Mistor«, sagte Wolfram leise. »Ich weiß, ihr wollet früh aufbrechen, also verabschiede ich mich jetzt. Ich wünsche euch eine gute Reise …«
»Ich bin nicht verrückt!«, widersprach Ranessa zornig. »Ich habe wirklich genug von Leuten, die mich für verrückt halten.«
»Lass das, Ranessa«, flehte Wolfram, der begriff, dass er einen schrecklichen Fehler begangen hatte. »Es tut mir Leid.«
»Ich werde dir zeigen, wer hier verrückt ist«, fauchte Ranessa.
Sie verwandelte sich in einen Drachen. Ihre Arme wurden zu Flügeln. Ihr Kopf glitzerte rot, als sich die Schuppen über ihre Haut ausbreiteten. Ihr dunkles Haar wurde zu einem schwarzen, stacheligen Kamm, der vor Empörung und Triumph bebte. Ihre grünen Augen glitzerten. Dicke, muskulöse Hinterbeine stützten den massiven Körper. Ihr roter, glänzender Schwanz peitschte übel gelaunt über den Boden.
Ein Schnauben des Drachens genügte, um die Pferde durchgehen zu lassen. Einige galoppierten den Berg hinunter, andere rannten um die Ostecke des Klosters.
Die Zwerge standen starr vor Entsetzen da. Dann gab Kolost Befehle. Er
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