Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
Gefährten.
Er schlang sich den Rucksack über die Schulter, schnallte ihn fest, und dann ging er ein paar Schritte zurück, um Anlauf zu nehmen. Er wappnete sich gegen den Aufprall, der ihn durchrütteln würde, falls der Zauber nicht funktionieren sollte. Aber daran durfte er nicht denken. Er drehte die Schulter nach vorn und rannte so schnell er konnte gegen die Wand.
Er verzog das Gesicht in Vorwegnahme des Aufpralls, aber er brach ohne Widerstand durch die Wand und riss dabei ein klaffendes Loch ins Holz und den Verputz. Der Schwung trug ihn weit hinaus auf die Straße, wo er beinahe mit einem verdutzten Kriegsmagier zusammengestoßen wäre.
Der Magier sah eine geisterhafte Erscheinung durch die Wand brechen – Ulaf war von oben bis unten mit Gipsstaub bedeckt – und zog sein Schwert, die Worte eines Bannspruchs auf den Lippen.
»Freund!«, schrie Ulaf und hob die staubigen Hände. »Tut uns nichts! Wir waren mit diesen Kindern dort drinnen gefangen! Wir wollten einfach nur raus!«
Er behielt die Hände erhoben und wies mit dem Kopf auf Jessan, der Bashae trug. Die Großmutter stapfte neben Jessan her und umklammerte Bashaes Hand.
Dank der Dunkelheit, dem Rauch und den Flammen konnte der Kriegsmagier nicht besonders gut sehen, und er warf ihnen ohnehin nur einen kurzen Blick zu.
Ulaf packte die Großmutter und hievte sie trotz ihrer zornigen Proteste auf seinen Rücken.
»Wir müssen uns beeilen, Großmutter, und Ihr könntet nicht Schritt halten. Schlingt die Arme um meinen Hals.«
Die Großmutter gehorchte und klammerte sich so fest an seinen Hals, dass sie ihn beinahe erwürgt hätte. Ulaf fing an zu laufen, zu der Schänke, in der er Shadamehr finden würde. Zum Glück hatten die Kriegsmagier die gesamte Umgebung beleuchtet, um klare Sicht zu haben, falls der Vrykyl fliehen würde. Tatsächlich war die halbe Stadt hell genug, und ein kaltes, weißes Strahlen erfüllte die Straßen und Gassen rings um die Mollige Mieze. Kriegsmagier, die an jeder Straßenecke postiert waren, rezitierten immer noch.
Auf den Straßen befand sich kein Mensch, abgesehen von den in der Nähe stehenden Stadtwachen, welche für Ruhe und Ordnung sorgen sollten. Man hatte die Straßen rings um die Schänke abgeriegelt, aber das hielt die Bürger nicht davon ab, herausfinden zu wollen, was eigentlich los war. Menschen standen in Türen, reckten die Hälse oder spähten aus Fenstern in den höheren Stockwerken, um zu sehen, was passierte. Niemand hielt Ulaf oder den Trevinici auf, während sie die »Kinder« in Sicherheit brachten. Ein Wachsoldat fragte sogar, ob sie Hilfe brauchten. Ulaf schüttelte den Kopf und rannte weiter.
Bashae stöhnte vor Schmerzen, und sein Kopf sackte von einer Seite zur anderen.
»Wie weit ist es noch?«, fragte Jessan voller Anspannung.
»Nur noch eine oder zwei Querstraßen«, erwiderte Ulaf. »Wie geht es ihm?«
»Er wird schon wieder«, meinte Jessan. »Er wird schon wieder.«
Ulaf schaute die kleine, totenbleiche Gestalt an, die Jessan so leicht mit seinen starken Armen trug, dann warf er einen Blick über die Schulter zur Großmutter, die ihn so fest umklammerte. Sie gab keinen Laut von sich, aber Ulaf konnte ihre Tränen spüren, die sein Hemd durchnässten.
Fünf Kriegsmagier hatten Jedash umzingelt. Sie drängten ihn vorsichtig in eine Ecke, während sie die Worte eines mächtigen Banns rezitierten. Jedash hielt immer noch stand. Er wehrte sie ab. Aber er wurde schwächer. Die Wunde, die das Blutmesser gerissen hatte, hatte das bewirkt. Er konnte spüren, wie sie ihn erschöpfte, wie die Kraft aus ihm sickerte.
Die Magier kamen aus allen Richtungen und blendeten ihn beinahe mit ihrem widerwärtigen, grellen Licht. Jedash wich weiter zurück. Er hätte sich ihnen ergeben, wenn das möglich gewesen wäre. Er wollte nicht kämpfen. Er war auch, als er noch lebte, nicht sonderlich aufs Kämpfen versessen gewesen. Die Rüstung der Leere hielt zwar seinen verwesenden Leichnam zusammen, aber sie hatte keine Auswirkung auf seinen grundlegenden Charakter. Die Leere konnte ihm keine Macht geben. Er wirkte nach außen vielleicht wild und gefährlich, aber in seinem schwarzen Helm schossen seine Augen hin und her und suchten nach einem Ausweg. Jedash war im Leben ein Feigling gewesen, und das war er jetzt immer noch.
Er zertrampelte Möbelteile unter seinen Füßen und tastete nach seinem eigenen Blutmesser, das er an der Seite trug. Er legte die Hand darauf.
»Shakur!«, jammerte er.
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