Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
brachte der Wirt seine Familie zum Haus seines Schwagers, um ihn mit Geschichten über seine eigene Tapferkeit angesichts solch schrecklicher Gefahr zu unterhalten.
Die Inquisitoren arbeiteten die ganze Nacht und durchsiebten die Trümmer. Sie ließen niemand anderen in das Gebäude. Als sie kurz vor Sonnenaufgang schließlich gingen, konnte man beobachten, dass sie einen kleinen Sack mitnahmen, den sie sehr vorsichtig behandelten. Was sich darin befand, ob es Teile des Vrykyl oder seiner Rüstung waren, wurde nie enthüllt. Die Inquisitoren informierten die Regentin, die ihrerseits für den Fall, dass er sich geängstigt haben sollte, dem jungen König die Nachricht über die Vernichtung des Vrykyl weitergab. Es hieß, der junge König sei ausgesprochen erfreut gewesen, die gute Neuigkeit zu hören.
Das Licht von der Explosion, die den Vrykyl vernichtet hatte, beleuchtete den Himmel, und die mit Kopfsteinen gepflasterten Straßen rings um die Mollige Mieze bebten. Fenster zerbrachen, das Dach eines benachbarten Hauses geriet in Brand, und überall wurde Alarm gegeben. Das Feuer wurde schon bald gelöscht. Die Stadtwache und die Ausrufer eilten in den Straßen auf und ab und versicherten der Bevölkerung, dass die Ehrenwerten Magier die Lage im Griff hätten. Alles war unter Kontrolle. Die Leute wurden aufgefordert, wieder ins Bett zu gehen.
Als Jessan die Explosion hörte, hielt er inne und blickte über die Schulter.
»Das hätten wir sein können«, meinte Ulaf, während der Boden unter ihren Füßen bebte.
Jessan nickte, dann sah er sich verwirrt um. »Ich glaube, das Gasthaus, in dem ich Shadamehr zurückgelassen habe, ist hier irgendwo.«
»Es ist in dieser Gasse«, sagte Ulaf und bog von der Hauptstraße ab.
Das magische Licht drang nicht bis in dieses Sträßlein. Hier war alles dunkel und still. Zu dunkel für Ulafs Geschmack. Hinter den Gasthausfenstern brannte kein Licht.
»Wie geht es Bashae?«
»Er atmet noch«, antwortete Jessan. »Bashae wollte mit Shadamehr reden. Aber es ging dem Baron nicht gut, als ich ihn verlassen habe. Ich habe Bashae nicht gesagt, dass er tot sein könnte.«
»Die Götter haben es nicht sonderlich eilig damit, dass sich Shadamehr ihren himmlischen Angelegenheiten anschließt, also würde ich nicht gleich das Schlimmste annehmen«, erklärte Ulaf und versuchte, sich an seinen eigenen tröstlichen Rat zu halten. Das Gasthaus zur Krähe mit dem Ring, in dem Shadamehr Zuflucht vor der königlichen Kavallerie gesucht hatte, war Ulaf gut bekannt. Es befand sich sowohl in der Nähe des Tempels als auch des Palasts in einer Gasse, die von der Buchbinderstraße abzweigte, und die Kunden hier waren überwiegend Drucker, Buchbinder und unwichtigere Beamte. Es handelte sich um ein kleines, enges Haus, ohne die Annehmlichkeiten der Molligen Mieze und ohne einen Hinterausgang, aber es gab einen Lagerraum mit leeren Fässern, die etwa die richtige Größe hatten, um einen ausgewachsenen Menschen darin zu verstecken – Ulaf konnte das aus eigener Erfahrung bestätigen –, und eine Besitzerin, die zwar viel redete, aber auch wusste, wann sie besser den Mund hielt.
Ulaf fiel es schwer, sich nach dem seltsamen weißen Licht der Magier wieder an die Dunkelheit zu gewöhnen. Jessan hatte offenbar die besseren Augen, denn er sagte: »Da steht jemand in der Tür.«
Ulaf blinzelte, aber erst als sie beinahe davor standen, erkannte er die Besitzerin – eine untersetzte Frau mittleren Alters, die das Gasthaus von ihrem verstorbenen Mann geerbt hatte.
»Wer ist da?«, fragte sie mit zitternder Stimme.
Licht flackerte auf. Sie hatte den Schieber vom Laternenfenster gezogen und hielt die Laterne nun direkt vor Ulafs Nase.
Er stieß einen leisen Schrei aus und hob die Hände, um die Augen abzuschirmen.
»Ich bin es, Maudie«, knurrte er gereizt. »Das Laternenlicht scheint zu grell! Du hättest mich beinahe geblendet.«
»Du bist es tatsächlich, Ulaf«, meinte sie und starrte ihn forschend an. »Den Göttern sei Dank!«
Sie schloss gehorsam den Schieber an der Laterne und verbarg das Licht. »Sind die Wachen hinter dir her? Woher kommst du? Was hast du denn da? Kinder? Die Armen! Kommt herein, schnell. Habt ihr das Getöse gehört? Es heißt, dass Dämonen der Leere in der Stadt ihr Unwesen treiben, durch die Straßen toben und unschuldige götterfürchtige Leute umbringen. Ich dachte schon, ihr wäret ebenfalls welche, als ich gehört habe, wie ihr durch die Gasse gekommen seid. Ich
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