Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
hätte dem Kapitän sagen können, dass der Wind um diese Jahreszeit häufig von Norden her wehte und die Elfen nichts damit zu tun hatten, aber er schwieg. Er kannte die Orks von seinem Aufenthalt in Shadamehrs Burg her und war überzeugt davon, dass man ihm wieder die Schuld an irgendetwas geben würde, bevor noch der Tag verstrichen war. Also fand er, er sollte es zumindest genießen, wenn man ihm den Verdienst am Wind zuschrieb.
»Wie weit sind wir von Neu-Vinnengael entfernt?«, fragte er.
»Weit genug«, knurrte der Kapitän, »um vor diesen widerwärtigen Snar-ta sicher zu sein.« Während er die Bezeichnung für die Taan aussprach, verzog Kal-Gah angewidert das Gesicht. Snar-ta. Das Orkwort für »Fleischfresser«. Der Kapitän bezog sich auf die Gerüchte, die bei den Leuten des Barons über die kannibalischen Bräuche der Taan in Umlauf waren. Angeblich schmeckten ihnen Orks besonders gut.
»Was meint Ihr, haben sie Neu-Vinnengael schon angegriffen?«, fragte Griffith und versuchte, nach Norden zu schauen. Das fiel ihm wegen des Winds überraschend schwer.
Kapitän Kal-Gah zuckte mit den Schultern. »Wir haben keinen Rauch gesehen. Aber das bedeutet nicht viel, da die Stadt aus Stein gebaut ist.«
Er wandte sich wieder seinen Pflichten zu, offensichtlich ungerührt vom Schicksal von Leuten, die er für seine Feinde hielt.
Der Wind war kalt und beißend und schnitt direkt durch Griffiths Wollumhang und alles, was er darunter trug. Er bewegte sich mühsam zu einem Bereich des Decks, der windgeschützt war und von der Sonne gewärmt wurde. Dort blieb er stehen, kaute an seinem Brot und teilte es mit ein paar Möwen zum Dank für ihre Hilfe mit den Vorzeichen. Er blickte auf zu der weißen Masse von Segeln hoch über seinem Kopf, dem kunstvollen Gewirr von Tauen und den hohen, geraden Masten, die aussahen, als streiften sie den Himmel selbst. Er staunte über die Geschicklichkeit der Seeleute und dachte bei sich, dass dies alles wirklich wunderbar sei.
Er war froh und entspannt, und er wusste, warum. Zum ersten Mal seit vielen Jahren war er nun für nichts und niemanden verantwortlich, nicht einmal für sich selbst. Sicher, eine böse Macht suchte nach ihnen, aber im Augenblick richteten sich die Augen der Leere nach Neu-Vinnengael. Die Orks kümmerten sich um das Schiff und brauchten seine Einmischung nicht. Seine Freunde waren in Sicherheit, und es schien ihnen gut zu gehen; der Makel der Leere würde mit der Zeit verschwinden. Seine geliebte Frau war die Nacht über unruhig gewesen, aber nun schlief sie besser. Griffith hatte nichts zu tun und konnte ohnehin nur dorthin gehen, wo der Wind sie alle hinbrachte. Das letzte Mal hatte er solchen Frieden verspürt, als er noch ein Kind gewesen war und die Wyred gekommen waren, um ihn zu holen.
Griffith hatte damals vier Jahre gezählt, ein frühreifes Kind, einer von sieben Söhnen eines niederen Adligen. Griffith hatte, seit er so etwas wie Vernunft entwickelt hatte, gewusst, dass er anders war als seine Geschwister. Er war still und in sich gekehrt und hatte sich nicht für die Spiele und Kämpfe erwärmen können, die seine Brüder so sehr begeisterten. Er hatte immer nur am Rand gestanden und zugesehen.
Seine Brüder bedrängten Griffith dauernd, sich ihren Kampfspielen anzuschließen, und sie wurden wütend, wenn er sich weigerte. Griffith hasste Lärm und Streit. Er bewegte sich leise und sprach auch leise – so leise, dass seine Mutter sich beschwerte, weil sie häufig vergaß, dass er überhaupt da war, und sich dann erschreckte, wenn sie ihn plötzlich vor sich sah. Sein Vater, ein geborener Krieger, schlug sich auf die Seite der Brüder und bezichtigte die Mutter, Griffith zu sehr zu verwöhnen, während seine Mutter behauptete, die anderen würden den Kleinen nur schikanieren.
Griffith war einsam gewesen und hatte sich elend gefühlt, und er konnte sich noch gut an den Abend erinnern, als die Wyred gekommen waren, um ihn von zu Hause wegzuholen und in die Freiheit zu bringen.
Die meisten Kinder hatten Angst vor den schwarz gekleideten Gestalten, die nachts in ihre Zimmer schlichen und sie aus den Betten holten. Solche Kinder mussten mit Magie beruhigt und in magischen Schlaf versetzt werden. Bei Griffith war das anders. Als er aufgewacht war und die Gestalt mit der schwarzen Maske gesehen hatte, die sich über ihn beugte, hatte er sofort gewusst, um wen es sich bei diesem Mann handelte und warum er gekommen war. Er hatte kein Wort gesagt und
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