Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
sich gerade zu Letzterem entschlossen, als er spürte, wie ihn jemand an der Schulter berührte.
Er blickte auf und sah sich dem Oberhaupt der Kriegsmagier gegenüber.
»Man hat mir gesagt, dass ich Euch hier finden würde, Sir«, sagte Tasgall so leise, wie alle in der Bibliothek zu sprechen pflegten. »Ich würde mich gern mit Euch unterhalten.«
»Ich hatte Euch schon erwartet«, antwortete Rigiswald und legte das Buch beiseite.
Ein Novize stürzte sich sofort darauf und trug es an den sicheren Ort, an welchen alle wichtigen Bücher derzeit geschafft wurden.
»Die Taan werden sich sicher nicht um Bücher scheren«, meinte Rigiswald, während er Tasgall nach draußen begleitete. »Nur wenige Taan können lesen. Es gibt keine schriftliche Fassung ihrer Sprache. Sie würden nicht wissen, was sie mit den Büchern anfangen sollen. Ebenso wenig, wie Dagnarus es wüsste.«
Tasgall antwortete nicht, sondern warf ihm nur einen Seitenblick zu.
Sie verließen die Bibliothek und gingen einen breiten Flur entlang, in dem es nach geöltem Leder, Holz und Pergament roch. Dort gab es Unterrichtsräume, aber auch Besprechungszimmer mit kunstvoll geschnitzten Tischen und hochlehnigen Holzstühlen. Rigiswald und Tasgall waren die einzigen Personen in diesem Flur. Die Räume waren leer und dunkel. Wenn es erst Tag wurde, würde es hier vor Geschäftigkeit nur so wimmeln, aber bei Nacht wurde dieser Flur selten benutzt.
»Als Kind hat Prinz Dagnarus häufig den Unterricht geschwänzt«, fuhr Rigiswald fort. »Es gibt einen Bericht von seinem Hauslehrer, der schreibt, dass Dagnarus sich lieber bei den Soldaten herumtrieb, als Hausaufgaben zu erledigen. Ich nehme daher an, dass Eure kostbaren Bücher vor ihm einigermaßen sicher sind.«
»Prinz Dagnarus ist vor zweihundert Jahren gestorben«, sagte Tasgall. Er sprach mit tiefer Stimme, aber ohne Betonung, als zitierte er etwas Auswendiggelerntes.
Rigiswald lächelte und strich sich über den Bart.
Sie gingen den ganzen Flur entlang, bevor der Kriegsmagier stehen blieb. Er schaute sich noch einmal um, und als er niemanden sah, bedeutete er Rigiswald mit einer abrupten Geste, eines der Besprechungszimmer zu betreten.
In dem kleinen Raum war es dunkel und roch nach Kreide.
Tasgall murmelte ein paar magische Worte, und das Zimmer füllte sich mit weichem grauem Licht. Tasgall sah sich um und überzeugte sich davon, dass es wirklich leer war. Er zeigte auf einen hochlehnigen Stuhl für Rigiswald, dann ging er noch einmal zur Tür und spähte hinaus in den Flur, bevor er die Tür schloss.
Rigiswald ließ sich nieder. Er legte die Hände auf die Armlehnen, schlug die Beine übereinander und wartete.
Tasgall zog einen anderen Stuhl heran, aber er setzte sich nicht, sondern blieb stehen und umklammerte die geschnitzte Leiste, mit der die Stuhllehne verziert war.
Tasgall in Kampfausrüstung bot einen beeindruckenden Anblick und strahlte eine Kraft aus, welche sich aus einer tödlichen Kombination aus Stahl und Flammen ergab. An diesem frühen Morgen jedoch trug er das weiche Wollgewand, welches die Brüder meistens in ihrer Freizeit oder bei ihren Studien trugen. Ohne seine Rüstung war er nur ein Mensch – ein Mann Ende vierzig mit einem kantigen, glatt rasierten Gesicht, das vor Übermüdung schlaff wirkte, mit an den Schläfen ergrauendem Haar und Falten auf der Stirn. Er war hoch gewachsen und kräftig und wirkte neben seinem ehemaligen Lehrer, dem schlanken, gepflegten Rigiswald, wie ein Riese.
Rigiswald hatte schon früh gewusst, dass der finstere, leidenschaftliche Junge mit den dunklen Augen ein idealer Kriegsmagier sein würde, und er hatte Tasgall geraten, seine Studien mit diesem Ziel weiterzuführen.
»Wo ist Baron Shadamehr?«, wollte Tasgall nun wissen.
»So spricht man nicht mit einem Mann, der beträchtlich älter ist, Tasgall. Selbst wenn Ihr nun Oberhaupt der Kriegsmagier seid«, entgegnete Rigiswald.
Tasgall packte die Stuhllehne fester. »Ich habe jetzt seit zwei Tagen und zwei Nächten nicht mehr geschlafen. Vorletzte Nacht musste ich mich um Euren Baron kümmern, der versucht hat, den König zu entführen, und dann verschwunden ist. Dann gab es einen Kampf mit einem Vrykyl in einer Schänke, bei dem der Vrykyl einen von meinen Leuten getötet hat, bevor wir ihn wieder in die Leere schicken konnten, welche ihn hervorgebracht hat. Gestern und heute musste ich mich mit einer höchstwahrscheinlich bevorstehenden Invasion durch unsere Feinde
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