Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
Unterkiefer zuckte. Seine dunklen Augen blitzten zornig.
»Wo ist Baron Shadamehr?«, fragte er mit angespannter Stimme.
»Wir sind also wieder am Anfang angelangt«, seufzte Rigiswald. »Ich werde Euch sagen, dass ich nicht weiß, wo er ist. Ihr werdet mich einen Lügner nennen. Ich werde dazu ansetzen, das Zimmer zu verlassen …«
»Nein, Sir«, sagte Tasgall. »Ich werde das Zimmer verlassen.«
Er stolzierte an Rigiswald vorbei, durch die Tür und in den dunklen Flur dahinter.
»Ich habe Euch doch gesagt, dass Ihr meine Antwort nicht mögen würdet«, stellte Rigiswald fest.
Tasgall drehte sich nicht um.
»Die Götter mögen uns helfen«, murmelte Rigiswald, was einem Gebet näher kam als das meiste, was er in seinem Leben geäußert hatte.
Dagnarus, Lord der Leere, stand am Ufer des Arven und starrte über den Fluss hinweg die Stadt Neu-Vinnengael an, eine Stadt, die er erobern wollte. Er stand allein und unsichtbar da, in die Magie der Leere gehüllt. Es war Abend geworden. In der Ferne hatten sich seine Taansoldaten um die Lagerfeuer versammelt und erzählten sich von den mutigen Taten, die sie vollbringen würden, sobald das Zeichen zum Angriff gegeben wurde.
Aber es war nicht diese Stadt, die Dagnarus vor sich sah. Er sah eine andere Stadt, welche am Ufer eines anderen Flusses stand. Er sah eine Stadt aus weißem Marmor inmitten hoch aufragender Klippen, eine Stadt der Wasserfälle und der Regenbögen. Seine Stadt Vinnengael, die Stadt, in welcher er geboren war, die Stadt, die zu beherrschen er geboren war.
Wenn er ehrlich war, musste Dagnarus zugeben, dass ihm der weiße Marmor oder die Regenbögen nie sonderlich aufgefallen waren, als er noch in Vinnengael gewohnt hatte. Er hatte auch nie auf die Wasserfälle geachtet, und wenn er die weißen Klippen betrachtete, auf denen die Stadt errichtet worden war, hatte er sie nur als Teil der Verteidigungsanlagen gesehen. Erst nach der Zerstörung von Vinnengael erinnerte er sich an diese Stadt und sah sie durch das gefärbte Prisma seiner Sehnsucht. Erst jetzt erinnerte er sich an die Regenbögen, und auch das nur, weil Gareth sie einmal erwähnt hatte.
Als er nun an die alte Stadt dachte und dabei die neue betrachtete, die zu Ehren der alten errichtet worden war (und um sie an Glanz zu übertreffen), verstand Dagnarus endlich, weshalb es ihn so ärgerte, hier am Flussufer zu stehen und über die kommende Schlacht nachzudenken. Er war ein leidenschaftlicher Liebhaber, und er konnte den Gegenstand seiner Liebe zweifellos mit Gewalt nehmen, aber das wollte er nicht. Er wollte, dass die Geliebte zu ihm kam. Er wollte, dass sie ihn begehrte, dass sie sich vor ihm erniedrigte und schwor, ihn immer geliebt zu haben und nie einen anderen zu lieben. Er würde seinen Traum nicht verwirklichen, indem er eine Armee von Taan auf die Geliebte hetzte, sie in Ketten legen, wiederholt vergewaltigen und schließlich zum Sterben an den Straßenrand werfen ließ.
Er konnte zu seiner Angebeteten gehen und versuchen, sie zu umwerben. Aber was sollte er dann mit zehntausend Taan tun, die nach ihrem Blut dürsteten?
Dagnarus legte die Hand auf den Dolch der Vrykyl.
»Shakur«, sagte er zu seinem Stellvertreter, einem dieser Vrykyl, einer Schöpfung der Leere und des Dolchs, den Dagnarus benutzt hatte, um Shakurs Leben zu nehmen und ihm dafür den lebendigen Tod zu schenken.
Lange Zeit verging. Shakur meldete sich nicht.
Gereizt wiederholte Dagnarus die Beschwörung. Es vergingen manchmal Tage oder gar Monate, ohne dass er mit den Vrykyl sprach, aber wenn er es tat, verlangte er ihre sofortige Aufmerksamkeit.
»Mylord«, erwiderte Shakur.
»Du hast mich warten lassen«, sagte Dagnarus.
»Verzeiht mir, Herr, aber ich war nicht allein.«
»Schick die Leute weg«, befahl Dagnarus. »Du bist immerhin König.«
»Ich mag König sein, Mylord, aber ich bin auch noch ein kleiner Junge«, erwiderte Shakur. »Diese Narren hier glucken um mich herum wie alte Hennen. Besonders jetzt, da eine Armee von Ungeheuern vor der Stadt ihr Lager aufgeschlagen hat.«
»Wie ist die Stimmung in der Stadt?«, fragte Dagnarus.
»Angst und Schrecken«, erwiderte Shakur. »Man hat das Kriegsrecht verhängt. Die Kriegsmagier regieren die Stadt. Soldaten drängen sich in den Straßen. Die Tore sind geschlossen. Niemand kommt herein oder verlässt die Stadt. Der Hafen ist leer.«
»Hat dich sonst noch jemand entdeckt?«
»Niemand außer dem Baron, und der ist inzwischen wahrscheinlich
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