Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
musste ich mit ansehen, wie Vinnengael in der Achtung der Menschen sank. Ich sah, wie gering es geschätzt wurde, wie man es der Lächerlichkeit preisgab. Ich sah, wie die Kirche an Macht gewann, wie die Monarchie schwach wurde und die Adligen unter dem Stiefel der Priestermagier geknechtet wurden.«
Mehrere Barone murmelten zustimmend.
»Ich sah, wie die Armee heruntergewirtschaftet und das Heer kleiner wurde, während die Moral sank«, fuhr Dagnarus fort. »Als dann Karnu die Vinnengaelier bei der Stadt, welche man nun Delak'Vir nennt, angegriffen hat, wurde die Armee von Vinnengael besiegt und dazu gezwungen, beschämt den Rückzug anzutreten. Und was noch schlimmer ist – Vinnengael unternahm nichts, um das Portal zurückzuholen, das uns die Karnuaner gestohlen hatten.
Jahre vergingen, und die Karnuaner trampeln immer noch dreist auf unserem Land herum. Sie verlangen Gebühren für die Benutzung eines Portals, das einst uns gehörte. Sie verhöhnen uns und bezeichnen uns als Feiglinge. Sind die Soldaten von Vinnengael feige?« Er schaute die Offiziere der Königlichen Kavallerie an, welche rot anliefen.
»Nein!«, schnappte Dagnarus im Kasernenhofton. »Die Soldaten von Vinnengael sind die treuesten, besten, tapfersten Soldaten der Welt!«
Laute Rufe der Zustimmung unterbrachen ihn.
Dagnarus hob die Stimme wieder. »Ich sollte es wissen. Ich habe sie oft genug selbst in die Schlacht geführt. Aber selbst die tapfersten Soldaten müssen ausgebildet werden; sie brauchen Geld, und sie brauchen das Beste an Waffen und Rüstungen. Und noch mehr als das« – er hielt inne – »brauchen sie Respekt.«
Mehrere Ritter jubelten. Die Soldaten hoben die Köpfe. Ihre Augen glitzerten, und sie ballten die Fäuste. Einige nickten nachdrücklich, während andere »Ja!« schrien, und beinahe alle warfen der Regentin und den anderen Kirchenoberen erboste Blicke zu.
Wie schlau von ihm, dachte Rigiswald, der Dagnarus gegen seinen Willen bewunderte. Wie ausgesprochen schlau.
»Ja, ich bin mit einer Armee nach Loerem zurückgekehrt!«, rief Dagnarus. »Mit einer Armee, die Dunkar erobert und es in die Knie gezwungen hat. Mit einer Armee, die es mit Karnu aufgenommen hat und bald auch dieses stolze Land erobern wird.« Er zeigte geradewegs auf die Ritter. »Wegen meines Angriffs auf ihre Heimat haben die Karnuaner viele Truppen aus Delak'Vir abziehen müssen. Wenn ihr sie jetzt angreift, werden sie euch nicht standhalten können. Ihr werdet euer Portal zurückerobern können, und mit ihm den Respekt, welcher euch zusteht!«
Jede dieser Aussagen wurde mit Jubel begrüßt.
Dagnarus hielt abermals inne, dann sagte er leiser: »Ich gebe euch Dunkarga, seinen Wohlstand, seine Bewohner. Ich gebe euch Karnu, seinen Wohlstand, seine Bewohner. All das mache ich Vinnengael zum Geschenk. Mit diesen beiden großen Nationen unter seiner Herrschaft wird Vinnengael wieder das mächtigste Land in Loerem sein; mächtiger selbst als zu Zeiten meines Vaters König Tamaros, mögen die Götter ihn segnen.«
Dagnarus streckte die Hände aus, als hielte er die angesprochenen Länder darin. »Nehmt sie. Sie gehören euch. Im Austausch dafür bitte ich nur um das, was mir ohnehin rechtmäßig zusteht. Macht mich zum König. Oder genauer gesagt zum Kaiser. Denn Vinnengael wird das größte Reich in der Geschichte von Loerem werden.«
Niemand sagte etwas. Niemand schien auch nur zu atmen. Die Regentin blinzelte wie betäubt. Von allen Forderungen, die er hätte stellen können, hatte sie diese am wenigsten erwartet. Die Miene des Inquisitors war steinern und verriet nichts. Tasgall schaute grimmig drein und warf hin und wieder einen Blick zu Rigiswald, aber der ältere Magier weigerte sich, diesen stummen Appell zu verstehen. Tasgall hatte zu lange gewartet. Die Sache war schon zu weit fortgeschritten.
Wie alle erfolgreichen Lügner hatte Dagnarus seine Falschheiten und Halbwahrheiten schlau auf ein paar unangreifbare Tatsachen gegründet. Er war inmitten von Palastintrigen aufgewachsen. Sein Vrykyl hatte ihm zweifellos von der wachsenden Rivalität zwischen der Kirche und den Baronen und Offizieren erzählt. Die Selbstzufriedenheit der Kirche hatte zu lange wie starke Sonnenstrahlen auf einem gefrorenen, verschneiten Berg von Schwierigkeiten geglitzert. Es hatte nur eines einzigen lauten Rufs bedurft, um den Schnee ins Rutschen zu bringen, und nun konnte niemand mehr die Lawine aufhalten.
»Was ist mit dieser Armee von Dämonen?«, fragte die
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