Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
von Magie verlassen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen oder ihr Leben zu retten, seltsam vorkommen, dass jemand lernen muss zu schlafen. Magie wird als »Geschenk« der Götter betrachtet, und das ist sie auch – eine Macht ganz ähnlich jener der Götter, die den Menschen überlassen wird. Aber der Begriff »Geschenk« bedeutet nicht, wie einige Laien fälschlicherweise glauben, dass Magie benutzt werden kann, ohne dass man dafür zahlen muss.
Magie anzuwenden ist schwere Arbeit und nimmt dem Magier Kraft. Die einzige Möglichkeit, diese Kraft zu erneuern, ist fester Schlaf, tiefer, friedlicher, ruhiger, ununterbrochener Schlaf. Daher müssen alle Magier lernen, wie man alle weltlichen Gedanken und Sorgen hinter sich lässt und Kraft und Erneuerung im Schlaf findet.
Besonders Kriegsmagier müssen lernen, Frieden und Entspannung auch unter Umständen zu finden, die alles andere als friedlich und entspannend sind. Also war Tasgall im Stande, seinen geistigen Aufruhr, seine Sorgen, Ängste, Befürchtungen und Zweifel mit ein paar Worten eines leisen Gebets hinter sich zu lassen. Er schlief gut und tief, erwachte im Morgengrauen erfrischt und stellte fest, dass sich seine Sorgen, Ängste, Befürchtungen und Zweifel noch genau dort befanden, wo er sie am Abend zuvor zurückgelassen hatte.
Die Glocke, welche die Bewohner des Tempels weckte und sie zu ihrer täglichen Arbeit schickte, hatte kaum geläutet, als es auch schon an Tasgalls Tür klopfte. Er wurde zur Regentin gerufen. Er wurde zum Inquisitor gerufen. Er wurde zur Regentin und zum Inquisitor gerufen.
Er ließ ausrichten, dass er sich mit den Ordensoberhäuptern treffen, die Besprechung nur kurz sein und er der Einzige sein würde, der redete.
Das gefiel ihnen selbstverständlich überhaupt nicht. Er hatte das bereits gewusst, aber er konnte es sich nicht leisten, Zeit darauf zu verschwenden, mit ihnen über seinen Plan zu debattieren, ihn von allen Seiten zu beleuchten, ihn vorwärts und rückwärts zu wenden und dann vielleicht zu einer Entscheidung zu kommen, ob er wirklich ausgeführt werden sollte oder nicht.
Er hatte vor, an diesem Morgen nur mit einer einzigen Person unter vier Augen zu reden, und diese Person war Rigiswald. Tasgall suchte in der Bibliothek nach seinem alten Lehrer.
Als er hereinkam, ließ er den Blick über die Tische und die stillen Leser schweifen, die auch inmitten von Aufruhr und Krieg störrisch weiterstudierten, und entdeckte Rigiswald in der Nähe eines Steinlichts. Tasgall legte die Hand auf die Schulter des älteren Magiers.
Rigiswald blickte auf. Als er sah, mit wem er es zu tun hatte, klappte er sein Buch zu und begleitete Tasgall wortlos zu dem Zimmer, in welchem sie sich schon einmal unterhalten hatten.
»Ich habe nicht viel Zeit«, erklärte Tasgall. Er setzte sich nicht, und Rigiswald blieb ebenfalls stehen. »Ich muss mich in einem Augenblick mit den Ordensoberhäuptern treffen, um zu erklären, wie wir morgen gegen die Taan vorgehen werden. Es wird ihnen nicht gefallen«, fügte er grimmig hinzu, »und mir gefällt es ebenso wenig. Und dennoch, dieser Kurs ist, soweit ich sehe, unsere einzige Möglichkeit.«
»Was wollt Ihr von mir?«, fragte Rigiswald.
»Ihr kennt diesen Mann. Ihr kennt Dagnarus.«
»Das würde ich nicht behaupten«, antwortete Rigiswald.
»Ihr habt ihn studiert …«
»So gut das möglich ist. Ich habe gelesen, was über ihn geschrieben wurde, aber er ist wie wir alle eine sehr vielschichtige Persönlichkeit.«
Tasgall wischte Rigiswalds Antwort mit einer ungeduldigen Geste beiseite. Dann umriss er Dagnarus' Plan für die Taan. Als er fertig war, schaute er Rigiswald gespannt an.
»Nun?«, fragte Tasgall.
»Nun was?«, erwiderte Rigiswald gereizt, denn er wollte sich nicht in diese Angelegenheit hineinziehen lassen. »Ihr habt Euch offenbar entschlossen, Euch auf seine Seite zu schlagen, Tasgall. Ich verstehe nicht, was Ihr von mir wollt. Meine Zustimmung?«
»Nein«, sagte Tasgall. »Nach allem, was Ihr über ihn wisst – glaubt Ihr, es könnte eine Falle …«
»Es ist ganz sicher eine Falle.«
»Ja, aber für wen?«, fragte Tasgall angespannt. »Für die Taan? Oder für uns?«
Rigiswald schwieg nachdenklich, dann fragte er: »Glaubt Ihr mir jetzt, dass der kleine König einer von Dagnarus' Vrykyl ist?«
»Ich weiß nicht, was ich glauben soll«, entgegnete Tasgall ungeduldig. »Vielleicht habe ich es gestern irgendwann geglaubt. Aber jetzt bin ich nicht mehr so
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