Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
sicher, und zählt es denn überhaupt? Der kleine König ist kein König mehr.«
Rigiswald hätte sagen können, dass es ziemlich viel zählte, aber tatsächlich war das nicht der Fall, zumindest nicht für Tasgall, der für das Leben von Tausenden verantwortlich war. Rigiswald seufzte tief.
»Dagnarus hat sich uns als Geisel gegeben«, erklärte Tasgall, und es klang, als wolle er sich selbst ebenso davon überzeugen wie Rigiswald. »Er sagt, wir sollen ihn töten, wenn er uns verrät.«
»Wenn er den Dolch der Vrykyl besitzt, dann hat er so viele Leben, wie es Vrykyl auf der Welt gibt, denn jeder von ihnen überlässt Dagnarus ein Leben, wenn er stirbt. Ihr müsst ihn vielleicht vierzigmal töten, um ihn wirklich umzubringen«, sagte Rigiswald trocken.
»Er ist sterblich«, erklärte Tasgall. »Er hat sich in die Hand geschnitten, und aus der Wunde floss rotes Blut.«
»Und hat er Euch erlaubt, seine Wunde zu heilen?«
»Nein. Er sagte…« Tasgall hielt inne.
»Selbstverständlich nicht. Er hat nicht zugelassen, dass Ihr ihn heilt, weil Ihr das nicht könntet. Dagnarus ist der Lord der Leere, und als solcher ist er von der Leere besudelt. Alle Erdmagie der Welt könnte ihn nicht heilen. Falls Euch das tröstet, Tasgall, ich selbst finde Dagnarus ebenfalls ziemlich beeindruckend, ja sogar liebenswert. Wir wissen beide, was er ist, aber wir fühlen uns auch zu ihm hingezogen. Er ist wie einer dieser bitteren Heiltränke, welche die Heiler mit Honig mischen, damit die Patienten sie schlucken. Nur dass er kein Heiltrank ist, sondern Gift.«
»Und dieses mit Honig gesüßte Gift ist für uns bestimmt?«, fragte Tasgall. Er wirkte plötzlich erschöpft und müde.
Rigiswald zögerte. »Es sind nicht so sehr die Lügen, die mich beunruhigen, als vielmehr all die Wahrheiten.«
Tasgall schnaubte verärgert.
»Ich glaube Dagnarus, wenn er behauptet, dass diese Falle für die Taan gedacht ist«, sagte Rigiswald. »Ich glaube ihm, wenn er sagt, dass er sich nicht gegen uns wenden und uns diesen Ungeheuern überlassen wird. Nach meinen Studien über Dagnarus und nach allem, was ich gestern von ihm gesehen habe, besteht sein größter Wunsch darin zu sein, was sein Vater war – der geliebte und geachtete Herrscher von Vinnengael. Er wird das nicht aufs Spiel setzen, indem er uns an die Taan verrät.«
»So habe ich ihn auch verstanden«, bestätigte Tasgall. »Aber ich habe noch eine weitere Frage für Euch: Warum lässt er die Taan überhaupt in die Stadt kommen? Er hat versprochen, die Hälfte seiner Armee wegzuschicken, und nach den Berichten, die ich heute früh erhalten habe, hat er das auch getan. Fünftausend Taan sind im ersten Morgenlicht nach Süden marschiert. Warum hat er sie nicht einfach alle weggeschickt?«
»Er will uns die Taan in Aktion zeigen. Er will, dass wir sehen, wie wild sie sind und wie gut sie kämpfen können. Ja, wir können sie jetzt vielleicht besiegen, aber der Kampf wird nicht leicht sein. Er will uns wissen lassen, dass er diese scharfen Hunde jederzeit wieder loslassen und auf uns hetzen kann.«
»Auch das habe ich mir schon gedacht«, sagte Tasgall. »Und ich werde es irgendwie den Ordensoberhäuptern begreiflich machen müssen. Danke, dass Ihr mit mir darüber gesprochen habt. Ich musste sicher sein, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob das der Fall ist, Tasgall. Ich glaube, wir alle wären in einem Taan-Kochtopf besser dran. Aber andererseits hattet Ihr keine große Wahl.«
»Ihr sagt selbst, dass Dagnarus das Wohl von Vinnengael am Herzen liegt. Es könnte nicht schlecht sein, einige Zeit einen starken Herrscher zu haben«, entgegnete Tasgall gereizt. »Einen, der dazu entschlossen ist, Vinnengael in der Welt wieder Achtung zu verschaffen, und der es zu seinem früheren Ruhm zurückführt.«
»Durch Metzelei?«, fragte Rigiswald.
Tasgall warf dem älteren Magus einen Blick zu. »Wie Ihr schon sagtet, Sir, ich habe keine große Wahl.«
Er verabschiedete sich von Rigiswald. Er war einerseits froh über den Rat, andererseits bedauerte er, überhaupt gefragt zu haben. Tasgall fühlte sich an seine Träume erinnert. Nicht an ihren Inhalt, denn den vergaß er immer wieder, sondern an das Gefühl danach, ein unbehagliches Gefühl von Niederlage, Verlust und einer drohenden Katastrophe.
Die Ratssitzung verlief genau so, wie Tasgall es erwartet hatte. Er legte Dagnarus' Vorschlag vor, erklärte, er sei ebenfalls dafür, und trat
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