Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
verängstigten Mann, sie zu begleiten, begab sich ins Söldnerlager und suchte nach ihrem Anführer, einem Menschen namens Klendist. Klendist hatte nach der Hinrichtung des früheren Söldnerführers Gurske nach der Schlacht am Elfenportal den Befehl übernommen.
»Was ist da los?«, fragte Nb'arsk durch ihren Übersetzer. Sie zeigte auf die ummauerte Stadt. »Was hat all dieser Lärm zu bedeuten? Hat unser Gott ohne uns angefangen, die Stadtbewohner zu töten?«
»Wohl kaum.« Klendist fing an zu lachen, dann schloss er den Mund wieder. Im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen fürchtete er sich nicht vor den Vrykyl. Aber er mochte sie auch nicht und hielt sich nur ungern in ihrer Nähe auf. »Das da ist Jubel. Ich weiß nicht, was los ist, aber es muss etwas Gutes sein. Wahrscheinlich hat sich die Stadt ergeben.«
Der Halbtaan konnte das nur annähernd übersetzen, denn die Taan kennen kein Wort für »sich ergeben«. Aber Nb'arsk verstand inzwischen, um was es ging.
Sie warf einen finsteren Blick zur Stadt hin, die so durchdringend und angenehm nach Menschenfleisch roch. »Wir werden also wieder einmal nicht kämpfen?«
»Wer weiß«, meinte Klendist und zuckte mit den Schultern. »Seine Lordschaft wird es uns schon wissen lassen.«
»Das gefällt mir nicht«, knurrte Nb'arsk.
»Es steht dir nicht zu, es zu mögen oder nicht, Vrykyl«, erwiderte Klendist. »Ihr Taan werdet tun, was euer Gott euch sagt.«
Der Halbtaan sank vor der Übersetzung von Klendists Worten vor dem Vrykyl auf die Knie und flehte Nb'arsk an, das, was er sagte, nicht für seine eigenen Worte zu halten. Nb'arsk wusste das selbstverständlich.
Sie drehte sich auf dem Absatz um und wollte gehen, als ihr plötzlich noch etwas einfiel.
»Dagnarus ist nicht euer Gott, nicht wahr?«
Klendist war zuerst verblüfft über ihre Frage, dann amüsiert.
»Nein«, antwortete er knapp.
»Wer ist euer Gott?«
»Ich glaube nicht an Götter«, erwiderte Klendist. »Ein Mann muss sich im Leben selbst um seine Angelegenheiten kümmern.«
Nb'arsk dachte darüber nach. »Keiner von euch Xkes hält Dagnarus für einen Gott. Wieso das? Er ist so mächtig wie ein Gott.«
»Ich nehme an, es liegt daran, dass er als Mensch geboren wurde«, sagte Klendist. »Was immer danach mit ihm geschehen sein mag, hat er doch genauso angefangen wie wir. Wahrscheinlich hat ihm sein Vater den Hintern versohlt, wie es meiner getan hat. Also kann ich ihn wirklich nicht für einen Gott halten.«
Der Mensch drehte sich um und ging davon, wobei er über die Dummheit der »Wilden« den Kopf schüttelte.
Nb'arsk starrte hinter ihm her. Sie hatte sich schon vorher darüber gewundert, wie wenig fromm die Menschen waren, aber sie hatte sich das immer damit erklärt, dass sie eben ein seltsames Volk waren. Nichts war für sie heilig, es sei denn ihre körperlichen Freuden. Sie ärgerte sich oft darüber, dass Menschen es Dagnarus gegenüber an Ehrfurcht fehlen ließen, aber wenn sie nun schon einmal darüber nachdachte, hätte sie auch nicht sagen können, welche seiner Taten bei den Xkes Ehrfurcht erregen mochten. Es war anders als bei den Taan.
»Was, wenn K'let tatsächlich Recht hat?«, murmelte sie zutiefst erschrocken. »Was, wenn Dagnarus kein Gott ist? Was bedeutet das dann für uns?«
Nb'arsk kehrte in ihr Lager zurück, wo die anderen Taan nach ihrem Fest tief schliefen. Sie dachte den Rest der Nacht über diese Fragen nach.
Ihre Antwort erhielt sie am Morgen.
Dagnarus kehrte zu seiner Armee zurück, als das Sonnenlicht den östlichen Himmel beleuchtete. Das Land war immer noch dunkel, und die Taankrieger schliefen. Die Arbeiter waren aufgestanden und bereiteten das Frühstück vor. In die Leere gehüllt, tauchte Dagnarus aus dem Nebel auf, welcher sich vom Fluss erhob, und schien ganz plötzlich vor Nb'arsk zu stehen.
Sie war erschrocken, beeindruckt und beunruhigt. Er kam ihr immer noch göttergleich vor, wie er mit geisterhaften Händen den Nebel zerriss, der an ihm klebte. Die schwarze Rüstung der Leere schimmerte im grauen Licht der Morgendämmerung. Als er Nb'arsk bemerkte, winkte er sie zu sich.
Sie wusste nicht, was er dachte, denn sie konnte nicht einmal sein Gesicht sehen. Er trug den Helm des Lords der Leere und verbarg sein Antlitz. Die Gesichter der Derrhuth waren schwächlich, weich und biegsam und spiegelten jedes Gefühl und jeden Gedanken wieder. Dagnarus trug, wenn er mit Taan sprach, stets den Helm, denn er wusste genau, dass er verlieren
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