Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Stein der Wikinger

Der Stein der Wikinger

Titel: Der Stein der Wikinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
Vom Netzwerk:
ich nur am Leben gelassen, weil der dänische König es so will.«
    Ivar rührte sich nicht von der Stelle. Sein flachsblondes Haar wehte im Wind. »Du hast deine Sippe zum zweiten Mal bestohlen, Unwürdiger!«, rief er. »Der Sklave gehörte Ingolf. Du hattest kein Recht, ihn zu verkaufen.«
    »Die Götter haben mich zu dem Buch geführt. Sie wollten, dass ich es besitze. Nicht wegen des vielen Silbers, das man damit verdienen kann, sondern wegen …« Er schwieg gerade noch rechtzeitig. »Du würdest es sowieso nicht verstehen, Ivar. Die Götter wollten auch, dass ich es zurückhole. Nur deshalb haben sie dafür gesorgt, dass sich unsere Wege noch einmal kreuzen. Ich habe Ingolf überwältigt. Er hatte kein Recht mehr, diesen Sklaven zu verkaufen.«
    »Du hast das Buch?«
    »Ich habe es«, erwiderte Hakon trotzig. Beinahe hätte er sich triumphierend auf die Brust geschlagen. »Und ich werde es behalten!«
    »Du wirst es dem Anführer deiner Sippe zurückgeben.«
    »Ich habe keine Sippe mehr, Ivar. Du bist nicht mehr mein Jarl.« Hakon zog das Schwert und trat seinem Onkel entgegen. »Und wann hörst du endlich auf zu reden und kämpfst? Oder bist du inzwischen träge geworden?«
    Ivar stieß einen Schrei aus, der eines Berserkirs würdig gewesen wäre, und stürzte sich auf Hakon. Von Mordlust getrieben schwang er sein Schwert und zielte auf den Kopf seines Gegners, doch Hakon duckte sich blitzschnell und der Schlag ging ins Leere. Ivar ließ sich fallen und registrierte zufrieden, wie der Schlag seines Neffen ebenfalls ins Leere ging, dann stieß er mit beiden Beinen nach dessen Knien und warf ihn zu Boden. Mit einem Schrei sprang er auf. Er baute sich breitbeinig über dem liegenden Hakon auf, packte sein Schwert mit beiden Händen und ließ es auf seinen Neffen hinabsausen.
    Hakon rollte sich gerade noch rechtzeitig zur Seite. Die Klinge bohrte sich so tief in den Schlamm, dass ihm genug Zeit blieb, auf die Beine zu kommen und erneut zum Angriff überzugehen. Das Buch an seiner Brust behinderte ihn kaum, schien ihm sogar Kraft zu verleihen und ihn anzutreiben. Er zielte nach dem Hals seines Onkels, traf aber nur die Schwertklinge, die Ivar wütend aus dem Schlamm gerissen hatte. Auch sein nächster Schlag wurde abgeblockt. Stechender Schmerz fuhr ihm durch Handgelenke und Arme.
    Doch er nahm den Schmerz kaum wahr und griff weiter an. Ihre Klingen kreuzten sich, blitzten im fahlen Licht und rissen Funken. Ivar begleitete jeden seiner Schläge mit einem wütenden Stöhnen. Hakon kämpfte still und verbissen, hatte noch nicht die Leichtigkeit, die einen großen Kämpfer auszeichnete. Aber er verstand sein Handwerk und kannte die Finten seines ehemaligen Jarls, dem er oft beim Kämpfen zugesehen hatte. Ivar war kein Taktiker. Er verließ sich allein auf seine Kraft und seine große Erfahrung. Er hatte mehr Männer getötet als alle anderen Männer seiner Sippe.
    Hakon brachte den Jarl mit einem wuchtigen Hieb aus dem Gleichgewicht, doch Ivar duckte sich lachend unter einem weiteren Schlag seines Neffen hinweg. Es war ihm nicht anzumerken, dass er fast doppelt so alt wie Hakon war. Er reagierte schnell wie eine Raubkatze, fand sogar Zeit, spöttisch zu lachen und seinen Gegner zu verhöhnen. »Was ist mit dir, Hakon?«, rief er. »Habe ich dir nicht beigebracht, ein Schwert zu führen? War ich ein so schlechter Lehrmeister? Du kämpfst wie ein Weib! «
    Hakon ließ sich nicht provozieren. Schon als Junge hatte er gelernt, dass es bei einem Schwertkampf nicht nur auf wuchtige Hiebe ankam. Bloß ein Hüne wie Ivar, dessen Körper nur aus Muskeln zu bestehen schien, konnte es sich erlauben, auf eine ausgefeilte Technik und Taktik zu verzichten. Der Jarl griff an wie ein riesiger Bär, blind und ungestüm. Ein junger Mann wie Hakon, schmäler gebaut und von den Göttern mit weniger Kraft beschenkt, musste raffiniert sein wie ein Luchs. Er musste seine Kraft einteilen, sich auf seine Schnelligkeit und Wendigkeit verlassen und versuchen seinem Gegner eine Falle zu stellen.
    Ivar schlug ihm mit einem brachialen Schlag das Schwert aus der Hand. Hakon hechtete hinterher, bekam es sofort wieder zu fassen und rollte sich mehrmals über den Boden, bis er wieder aufsprang. Geduckt rannte er auf Ivar zu, drehte sich einmal um die eigene Achse und zielte auf dessen ungedeckte Hüfte. Im letzten Augenblick schaffte es Ivar, nach hinten zu springen und einen Treffer zu vermeiden. Er stolperte und stürzte in den Schlamm, kam aber

Weitere Kostenlose Bücher