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Der steinerne Engel

Titel: Der steinerne Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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gefallener Engel braucht keine Flügel.« Malcolm stützte sich mit einem Arm auf die schmale Schulter der Frauenfigur und nahm einen ausgiebigen Schluck. »Der Himmel der Katholiken duldet keine Selbstmörder.«
    »Warum hat sie sich das Leben genommen?«
    »Haben Sie Bettys Führung nicht mitgemacht?«
    Riker sah zu dem Engel mit Mallorys Gesicht hinüber. »Als sie anfing zu weinen, war Schluss mit der Führung.«
    »Betty erzählt es besser, aber eine Kurzfassung können Sie auch von mir bekommen.« Malcolm trat einen Schritt zurück und lächelte ein wenig. »Jason Trebec wünschte sich einen Erben, der seinen Namen fortführen sollte. Aber nach Augustas Geburt konnte Nancy keine Kinder mehr bekommen, und eine Scheidung kam für die katholischen Trebecs natürlich nicht in Frage. Jason war ein gemeiner Hund. Er hat keinen Tag vergehen lassen, ohne Nancy dafür zu bestrafen, dass sie ihm keinen Sohn geschenkt hat.«
    »Der Alte hatte doch nicht mehr alle Tassen im Schrank. Ich kenne Augusta. Sie ist mehr wert als mancher Mann - mich eingeschlossen.«
    »Sie haben ja keine Ahnung.« Malcolm, der eben noch stocknüchtern gewirkt hatte, grinste glücklich wie ein sinnlos Betrunkener. »Augusta hat ihre Klicker beisammen.« Er fasste sich in den Schritt. »Das waren mal meine.«
    Lachend ließ er sich ins Gras fallen. »Die bin ich vor Gericht an Augusta losgeworden. Sie hat mich verklagt, weil ich Schaden in einem Vogelschutzgebiet angerichtet habe. Dann hat sie die Chemiewerke aufs Korn genommen und den ganzen Fluss entlang ihre Trophäen eingesammelt. Jetzt hat sie so viele Klicker, dass sie 'n ganzen Billardsalon damit bestücken könnte.«
    Riker setzte sich auf die kalte Grabplatte. »Billard passt nicht zu Augusta. Ich könnte mir eher vorstellen, dass sie die Dinger mit 'nem Schläger übers Netz donnert.«
    Malcolm nickte und knuffte Rikers Arm. »Oder Baseball? Platschbumm mit dem Schläger?«
    Riker zog eine Grimasse. An die Steinfigur gelehnt, betrachtete er den Mann neben sich. Als sie sich bei einem reichlich mit Wasser verdünnten Whiskey in Owltown kennen gelernt hatten, wusste er nicht, was er von Malcolm halten sollte. Sehr bald aber hatte sich herausgestellt, dass er einen echten Mann vor sich hatte, der - genau wie er selbst - Zigaretten ohne Filter rauchte und praktisch unbegrenzt aufnahmefähig für Alkohol war. Mit jedem Glas, das er auf Malcolms Rechnung geleert hatte, war der Bursche ihm sympathischer geworden.
    Jetzt hielt er wieder den Flachmann in der Hand. Der Scotch war milde und verbreitete wohlige Wärme in seinem Bauch. Das Leben war eine gute Sache.
    Das heißt ... ganz so gut wohl doch nicht. Er hielt die silbrig blinkende Flasche mit der Öffnung nach unten, und ein goldener Tropfen fiel zu Boden. »Aus die Maus«, sagte er enttäuscht.
    »Kein Problem.« Malcolm nahm ihm die Flasche ab. »Wunder sind mein Geschäft.« Er drehte Riker den Rücken zu, betete kurz zu Bacchus und hielt dem Sergeant eine volle Flasche hin.
    »Lobet den Herrn«, sagte Riker. »Ich habe Erleuchtung gefunden.« Es war ein guter Trick, den er gern mal in Ruhe zu Hause ausprobiert hätte.
    »Dahin kommen alle früher oder später.«
    »Wie man hört, ist das eine tolle Schau, die Sie da abziehen, Mal.«
    »Ich arbeite auch seit dreißig Jahren dran.«
    »Seit dreißig Jahren? Sie sehen ja jetzt noch nicht viel älter aus als dreißig.« In Owltown hatte er erfahren, dass Malcolm nur ein paar Jahre jünger war als er. In der Bar, wo es immerhin ein bisschen heller gewesen war als hier, hatte er vergeblich nach Anzeichen eines Faceliftings gesucht. »Verraten Sie mir das Geheimnis Ihrer Schönheit?«
    »Immer sauber bleiben.« Malcolm setzte die Flasche an die Lippen. »Haben Sie noch 'ne Zigarette?«
    Die Zigarettenpackung hatte sich durch die kaputte Tasche in das Futter von Rikers Jackett verirrt, sodass er sie mühsam herausfischen musste. Ungeduldig holte sich Malcolm eine Zigarette aus der Luft, schnippte mit den Fingern, und aus seinem Daumen züngelte eine Flamme.
    Riker konnte sich gerade noch die Bemerkung verkneifen, dass er dieses Kunststück schon hundertmal bei Charles Butler gesehen hatte.
    Für heute hatte er genug getrunken, so viel stand fest, aber weil er seinem Trinkkumpan gegenüber nicht das Gesicht verlieren wollte, hielt er, als er wieder dran war, die Flasche nur an die Lippen, ohne zu trinken. Nachdem der Flachmann noch ein paar Mal hin- und hergewandert war, hatte sie immer noch

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