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Der steinerne Engel

Titel: Der steinerne Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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schlaffe Gesicht, die ungesunde Farbe und überlegte, warum sein alter Freund noch nicht zusammengesackt war. Alkohol und Kettenrauchen hatten seine Gesundheit gründlich ruiniert. »Du müsstest mal richtig ausspannen.«
    »Mit anderen Worten: Du machst nicht mit.« Riker streifte zufällig mit seinem Blick die Engelsfigur und zuckte zusammen. »Herrgott, Charles, das muss aufhören. Du machst mich ganz verrückt damit.«
    Im Westen grollte ferner Donner. Sekundenbruchteile lang wurde der fahle Himmel hell.
    »Es hat schon aufgehört. Da steht das Original.«
    Riker trat näher heran, besah sich das Kind in den Armen der Frau und blickte Charles fragend an. Der nickte. »Es ist Mallory mit sechs, nein, fast sieben Jahren.«
    »Sie geht ja heftig ran. Wahrscheinlich fragt sich die Drecksbande die ganze Zeit, wann sie endlich Ernst macht.« Riker schlug den Kragen seines Jacketts hoch und verschränkte die Arme.
    »Ja, sie dürften langsam nervös werden.«
    »Nervös? Eine Frau hat versucht, sich umzubringen.« Riker fröstelte in seinem dünnen Anzug.
    »Hör endlich auf, mir das vorzuhalten. Und verlang nicht von mir, dass ich Mallory verrate.« Charles setzte sich ins Gras. Er war plötzlich sehr müde. »Warum tust du mir das an?«
    »Ich muss sie von hier wegschaffen, bevor Babe Lauries Bande sie findet. Travis hat ausgesagt, dass Babe bei der Steinigung mitgemacht hat. Keiner in der Stadt hat ein so gutes Motiv wie Mallory. Wahrscheinlich hat der Sheriff...«
    »Du bist müde, Riker, und nicht ganz auf dem Damm. Inzwischen solltest du wissen, dass die Sache mit Babe Laurie keinen interessiert.«
    »Bis auf die Leute, die ihre Mutter umgebracht haben.« Der erste Regentropfen des Morgens traf Riker und hinterließ einen dunklen Flecken auf seinem grauen Anzug. »Die werden sich fragen, woher sie weiß, dass Babe dazugehörte. Für die ist sie eine Bedrohung.«
    »Das klingt schon logischer.«
    »Aber bei dir zieht das trotzdem nicht?«
    »Nein, bedaure.«
    Es regnete nur leicht, aber die Vögel hörten auf zu singen, und alle einigermaßen vernunftbegabten Geschöpfe suchten sich einen Unterschlupf - nur die beiden dummen Zweibeiner auf dem Friedhof blieben im Regen stehen. »Der Sheriff will, dass sie geht, Charles. Und dann sag ich dir noch was: Ich bin nicht sicher, ob der Ausbruch aus dem Knast Mallorys Idee war.«
    »Du glaubst, dass die Initiative vom Sheriff ausgegangen ist?«
    Der Gedanke mochte Charles nicht recht einleuchten. Am Tag des Ausbruchs war der Sheriff wild entschlossen gewesen, sie wieder einzufangen - immer vorausgesetzt, dass er Charles nichts vorgespielt hatte.
    Riker zuckte die Schultern. »Es gibt keinen Haftbefehl. Interessant, oder? Außerhalb dieser Gemeinde weiß kein Cop, dass sie verschwunden ist oder gesucht wird. Wenn wir jetzt gleich mit ihr losfahren, dürfte uns niemand verfolgen.«
    Immer vorausgesetzt, dass Riker ihm nichts vorlog.
    »Sie hat das Recht, den Tod ihrer Mutter aufzuklären«, sagte Charles.
    »Und wenn sie die komplette Namensliste hat? Was dann?« Regentropfen rannen wie Tränen über Rikers Gesicht.
    Der Regen klatschte jetzt auf die Blätter der Bäume. Rikers Haar war nass. »Mit blindem Glauben kommst du hier nicht weiter. Du weißt doch gar nicht, was sie vorhat. Wenn nun noch mehr Leute sterben?« Er griff in die Hosentasche und holte die goldene Taschenuhr hervor. »Hier, nimm sie. Der Sheriff möchte, dass Mallory sie zurückbekommt und dann schleunigst verschwindet.«
    Charles legte rasch seine große Hand über die Uhr, um sie vor dem Regen zu schützen. »Warum kannst du nicht auf ihrer Seite sein? Sie will doch nur Gerechtigkeit.«
    Halb blind von dem Regen, der ihm schräg ins Gesicht klatschte, setzte er sich in Bewegung.
    »Ich muss davon ausgehen«, sagte Riker hinter ihm, »dass sie mit der festen Absicht zurückgekommen ist, zwanzig, dreißig Leute zu töten.« Und lauter, um den größer werdenden Abstand zwischen ihnen zu überbrücken, fügte er hinzu: »Ich möchte nicht, dass du zu enttäuscht von ihr bist, wenn sie diese Absicht wahr macht.«
    Charles ging weiter.
     
    »Weiß jemand, wo der Sheriff sich aufhielt, als Babe Laurie starb?«
    »Sie denken doch nicht etwa, dass er es war, Charles?« Augusta saß am Kopfende des Küchentisches, auf dem dampfende Schüsseln standen, aus denen es nach Safran und Huhn, Süßkartoffeln und Gemüse roch, und gab mit dem Schöpflöffel eine reichliche Portion auf Charles Butlers Teller. »Tom

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