Der steinerne Engel
glaubt, wird selig ...«
Als Charles wieder zu der Katze hinsah, stand sie auf dem Käfig und starrte die sanften Tauben an, die offenbar noch nie so ein Tier zu Gesicht bekommen hatten. Es gab reichlich Blickkontakt, aber noch keine Gewalttätigkeiten.
Mallory hatte von dem drohenden Massaker noch nichts bemerkt. »Mir ist es egal, ob er Steine oder Blumen geworfen hat. Er war dabei, und ich werde ihn zum Sprechen bringen.«
»Oder auch nicht«, sagte Augusta. »Du kennst dich mit unseren Leuten nicht aus. Auf diesen Jungen könntest du den ganzen Tag einprügeln, und er würde alles widerstandslos über sich ergehen lassen.«
Charles beobachtete, wie die Katze eine Pfote zwischen die Gitterstäbe steckte, und wollte gerade warnend die Hand heben, als Käfig und Katze zu Boden fielen, die Tür aufging und die Tauben, einig in dem Wunsch zu überleben, in geschlossener Formation aufflogen.
»Verdammtes Vieh.« Mallory sprang auf. »Ich habe Stunden gebraucht...«
»Lass, ich kümmere mich darum«, beruhigte sie Augusta.
Die Katze jagte ihrem Mittagessen nach, und Mallory griff nach dem Revolver. Augusta packte ihr Handgelenk und funkelte sie an. »Schlag dir das aus dem Kopf!«, sagte sie. Jedes Wort klang gleich bedrohlich.
Die Katze sprang auf den Kühlschrank und von dort auf den Boden, immer den Tauben nach, aber die waren schneller. Weiße Federn flogen durch die Luft und segelten zu Boden.
Augusta hielt immer noch Mallorys Handgelenk fest und gab ihr wortlos, aber deutlich zu verstehen, dass ihr Leben keinen Pfifferling mehr wert war, wenn sie auf die Katze schoss.
Die Katze schlich sich erwartungsvoll hechelnd an eine Taube heran, aber als ihr in ihrer Aufregung ein leises Maunzen entfuhr, war die Taube gewarnt und flog auf.
Mallorys Gesicht drückte zugleich Wut und Fassungslosigkeit aus. Die alte Dame hatte keine Waffe, kein ...
Nachdrücklich nickend gab Augusta ihr zu verstehen, dass sie ihre Drohung wahr machen würde. Wenn Mallory es auf einen Kampf ankommen lassen wollte - bitte, sie war bereit.
Einigermaßen erschüttert stellte Charles fest, dass Mallory das Für und Wider dieses Angebots offenbar ernsthaft gegeneinander abwog. Dann setzte sie sich wieder.
Charles trank langsam seinen Kaffee, beobachtete einen Fischadler, der nach seinem Abendessen tauchte, und die Möwen, die kreischend über dem Fluss kreisten. Inzwischen war ihm klar geworden, dass die Natur keine reine Idylle ist. Er zerdrückte ein Insekt auf seinem Handgelenk, das einen roten Schmierfleck auf der Haut hinterließ. Einem Käfer, der sich mit seinem Blut voll gesaugt hatte, gelang die Flucht. Der Himmel mochte wissen, was sich noch alles an Insekten und Kleintieren in dem hohen Gras tummelte, das bis an den Deich reichte. Und wie stand es um Augusta, die Hüterin der Natur?
Mallory lehnte - blind für alle Gewalt, die nicht von ihr ausging - am Geländer der Veranda und betrachtete die Taschenuhr.
Er hatte ihr vor zehn Minuten eine Frage gestellt und wartete noch immer auf eine Antwort. »Du willst mir nichts sagen?«
Sie sah ihn nicht mal an.
In seiner Beziehung zu Mallory hatte offenbar eine neue Phase begonnen: Immer häufiger brachte sie ihn zur Weißglut. »Du traust mir nicht. Du glaubst, ich würde alles verraten.«
Sie steckte die Uhr in die Tasche ihrer Jeans. »Traust du mir denn, Charles?«
»Verlangst du blinden Glauben? Wie Malcolms kleine Herde?«
Eigentlich hatte er das nicht laut sagen wollen, es war ein Echo der Worte Rikers, die in seinem Hinterkopf steckten. »Wann wolltest du mir erzählen, dass du eine Schusswunde in der Schulter hast?«
»Überhaupt nicht.«
So viel zum Thema Vertrauen.
»Ich möchte, dass du Riker suchst. Dazu brauchst du nur eine Bar nach der anderen abzuklappern. Schick ihn unter irgendeinem Vorwand in den Nachbarort, damit er mich hier nicht stört.«
»Riker glaubt, dass du hergekommen bist, um jede Menge Menschen umzubringen. Stimmt das?«
»Ich bin hergekommen, um Beweismaterial in einem Mordfall zusammenzutragen.«
»Der kein beliebiger Mordfall ist.«
»Er ist ein Fall wie jeder andere.«
»Spiel mir nicht die errötende Jungfrau vor, Mallory!« Er sah, dass ihre Augen sich plötzlich weiteten, und musste fast lachen. »Mir wirfst du immer vor, dass ich kein Pokergesicht habe. Du hast kein Gekränkte-Unschuld-Gesicht.«
Jetzt war sie wütend. Umso besser. Sie wollte etwas sagen, aber er hob die Hand. »Ich warne dich! Von Henry und Augusta hab ich so
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