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Der steinerne Engel

Titel: Der steinerne Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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»ist sie ja noch flüchtig.«
    »Bei Augusta ist sie wohl auch besser aufgehoben.«
    Charles Butler lächelte. »Gibt es irgendetwas, das Sie nicht wissen, Sheriff?«
    »Zum Beispiel weiß ich nicht, wie Sie die Steinfigur zum Fliegen gebracht haben.«
    Lilith fuhr ihn wütend an. »Ich weiß, dass Sie mir das nicht abnehmen, aber ich habe es gesehen. Ehrlich.«
    Von ihrem Vater war Tom Jessop einiges gewöhnt, aber das war nun doch ein bisschen viel. Ein Racheengel, der sich vom Boden erhob, mit den steinernen Flügeln schlug und sich in heiligem Zorn auf einen Menschen stürzte - so was hätte sich nicht mal Guy ausgedacht. Aber es war zweifellos eine gute Geschichte. Guy wäre stolz auf seine Tochter gewesen.
    Charles Butler aber wirkte seltsam benommen, und jetzt kamen Jessop doch gewisse Zweifel. Wenn nun doch was Wahres an der Sache war?
    Lilith sah Charles bittend an. »So einen Trick kriegt keiner hin, sagt der Sheriff. Nicht mal mit Drahtseilen. Bitte verraten Sie ihm, wie Sie's gemacht haben. Er hält mich für verrückt.«
    Charles und Riker wechselten einen Blick, als wollten sie sich wortlos über Liliths Geisteszustand verständigen, dann zuckte der Sergeant die Schultern. In Sachen Magie war Charles Butler zuständig.
    »Ich arbeite mit Spiegeln«, sagte Charles, als wäre es für ihn eine alltägliche Übung, Steine zum Leben zu erwecken, und als brauchte Lilith sich darüber nicht weiter zu wundern.
    Der Sheriff sah zu seinem Gefangenen hinüber. »Jetzt wollen wir doch mal sehen, was wir hier haben.« Langsam, als packte er ein Geschenk aus, zog er ihm die Jacke vom Kopf und trat zurück. Es dauerte einen Moment, bis er Jimmy in seinen ordentlichen Sachen, mit dem sauber geschnittenen Haar und bartlosem Gesicht erkannt hatte. Der Junge sah aus wie einer, der drauf und dran ist, wieder ins normale Leben zurückzukehren.
    Tom Jessop war plötzlich total erschöpft. Damit hatte er nicht gerechnet. »Du hattest recht, Lilith, die Ähnlichkeit mit den Lauries ist nicht zu übersehen. Das ist Babes Neffe.«
    Jimmy senkte den Kopf, um sein Gesicht zu verbergen.
    Der Sheriff legte ihm eine Hand auf die Schulter und schüttelte ihn ein wenig. »Du hast den Mord mit angesehen und mir kein Wort davon gesagt?«
    »Er hat mitgemacht.« Riker streckte dem Sheriff einen dicken gelben Umschlag hin. »Da ist alles drin. Ein unterschriebenes Geständnis und alle Namen.«
    Der Sheriff winkte ab und trat einen Schritt zurück. »Ich will es von ihm selbst hören. Bring ihn ins Sitzungszimmer, Lilith.« Der Gefangene war dreißig Jahre alt, aber Tom Jessop sah ihn immer noch als den jugendlichen Ausreißer, den er aus New York zurückgeholt hatte.
    Sie marschierten alle zusammen den Gang entlang bis zur letzten Tür, die zum Sitzungszimmer führte. Der Sheriff blieb stehen, während die anderen auf Metallklappstühlen an dem langen Tisch Platz nahmen. Während im Büro des Sheriffs und in seinem Vorzimmer eine Atmosphäre altertümlicher Gemütlichkeit herrschte, war hier alles kalt, weiß und nüchtern. An den Wänden befanden sich Straßenkarten und Pinnwände, an denen Notizen hingen. Riker hatte sich, flankiert von Lilith und Charles, am Kopfende niedergelassen. Jimmy Simms saß allein auf der anderen Seite.
    Der Sheriff baute sich hinter dem Gefangenen auf. »Also raus mit der Sprache, Jimmy.«
    Jimmy Simms sah zu Riker hin, der amtlich aussehende Schriftstücke auf dem Tisch verteilte. Der Sheriff legte dem Gefangenen eine Hand auf die Schulter. »Du hast es Riker erzählt, und jetzt erzählst du es mir.«
    Jimmy sah unentwegt Riker an, der ungerührt weiter an seinem Mörderpuzzle arbeitete, schließlich ein blaues Blatt aus dem Umschlag zog und es dem Gefangenen zeigte.
    Jimmy sagte, als ob er die Worte vom Blatt abläse: »Cass ist mit mir zu der Sitzung in der Neuen Kirche gegangen. Sie hat mich in das Zimmer gezerrt. Sie war furchtbar wütend, hat mit dem Brief herumgefuchtelt und die Leute angeschrien.«
    Der Sheriff beugte sich zu Jimmy hinunter. »Worüber war Cass wütend?«
    »Was sie gesagt hat, weiß ich nicht mehr. Ich wär am liebsten gestorben.« Jimmy sah Riker an, der ihm freundlich lächelnd einen Wink mit der Hand gab. »Sie wollte es in der ganzen Stadt rumerzählen«, sagte Jimmy. »Ihnen wollte sie es erzählen. Ihre letzten Worte waren: ›Morgen früh ist der Sheriff wieder da, Sie Mistkerl‹.«
    »Zu wem hat sie das gesagt?«
    »Zu meinem Onkel.« Er sackte in einem Stuhl zusammen und

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