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Der steinerne Engel

Titel: Der steinerne Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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schlug die Hände vors Gesicht.
    Riker hob warnend die Hand. »Fragen Sie da bloß nicht nach, sonst fängt er an zu heulen, und es dauert eine Stunde, bis er wieder vernünftig reden kann. Erzähl weiter, Jimmy.«
    »Meinem Vater war anscheinend gleich alles klar, denn er hat mich ganz komisch angeguckt, als wenn ich unter einem Stein vorgekrochen wär. Und als Cass weg war, hat er gesagt, ich soll draußen warten, solange sich die Erwachsenen besprechen.«
    »Worüber wollten sie sich besprechen?«, hakte der Sheriff nach.
    Riker reichte ihm zwei blaue Bogen - Ergebnisse von Blutuntersuchungen eines Zwölfjährigen. »Die Nummer deckt sich mit der von Dr. Shelleys Patientennummer für Jimmy.«
    Der Sheriff überflog die ersten Zeilen. »Hepatitis? Ja, ich weiß, dass er die hatte, Cass hat ihn behandelt, nachdem ich ihn aus New York zurückgebracht hatte.« Offenbar aber hatte sie auch eine ernstere Krankheit behandelt, denn auf dem nächsten Bogen standen die Ergebnisse eines Syphilistests. Der Test war positiv. »Herrgott noch mal!« Daraus erklärte sich vielleicht, warum es mit dem Jungen so schnell abwärts gegangen war, nachdem er ihn seinen Eltern zurückgebracht hatte.
    »Das ist noch nicht alles«, sagte Riker.
    Jimmy sah mit weit aufgerissenen Augen die blauen Bogen an und weinte leise vor sich hin.
    »Schon gut, Junge. Jetzt erzähl auch noch den Rest.«
    Wieder sah Jimmy fragend zu Riker hinüber. Der nickte.
    »Wir haben uns alle vor dem Haus von Cass Shelley versammelt. Damals hab ich noch nicht gewusst, wozu. Ich erinnere mich, dass ich aus Versehen einen Stein aus der Beetumrandung um den großen Baum im Vorgarten losgetreten hatte, da hab ich mich gebückt und ihn wieder hingelegt. Dr. Cass war sehr pingelig, wenn's um ihre Blumen ging.«
    Sie liebte ihre Blumen. Das ganze Jahr hindurch blühte etwas am Haus.
    »Dann hab ich wieder den blauen Brief gesehen, und die Leute haben miteinander geflüstert. Sie wollten alles so drehen, dass niemand was merkt.«
    Durch den Mord an Cass, die ihnen nie etwas zu Leide getan hatte.
    »Einer hat einen Stein geworfen und sie an der Schläfe getroffen. Sie hat nicht geschrien und hat nichts gesagt. Ganz unwirklich war das. Wie Fernsehen ohne Ton. Der nächste Stein ist an ihrer Schulter gelandet. Dann hat mir jemand einen Stein in die Hand gedrückt, und eine Stimme hat geflüstert: ›Mach's, mach's ...‹ Und da hab ich den Stein geworfen und sie am Knie getroffen, und sie ist hingefallen. Ganz lautlos.«
    »Und dann?«
    Jimmy sah den Sheriff leicht verwundert an. »Dann bin ich zu dem Beet und hab mir noch einen Stein geholt«, sagte er, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt. Er hatte seinen Stein geworfen und brauchte noch einen - das musste doch jeder normale Mensch begreifen ... »Und mit dem hab ich ihr die Schneidezähne kaputt geschlagen.«
    Riker nickte ihm anerkennend zu.
    Die Hand des Sheriffs hob sich über Jimmy wie eine Keule. Die Atmosphäre war von Hass durchdrungen. Charles Butler wollte aufstehen, aber Riker fasste ihn am Ärmel. »Halt dich da raus, Charles.«
    Jimmy sah die mächtige Faust des Sheriffs und blickte auf seine Hände herunter, die brav gefaltet waren wie in der Kirche. Seine Schultern strafften sich in Erwartung des Schlags. Ganz ruhig und vernünftig sagte er: »Jetzt tut es mir Leid, aber ich wollte nicht, dass sie erfahren, was er mit mir gemacht hat.«
    Die Hand des Sheriffs hielt mitten in der Bewegung inne.
    Ebenso ruhig und vernünftig setzte Jimmy hinzu: »Der Hund hat mir verziehen.«
    Riker griff nach den nächsten blauen Bogen. »Der Junge ist missbraucht worden. Von seinem Onkel. Immer wieder.« Er reichte die Papiere weiter. »Das hörte erst auf, als er dreizehn war. Und er war nicht der Einzige.«
    Vor diesen Zuständen also war Jimmy davongerannt, und in diese Zustände hatte er Jimmy wieder zurückgeholt. Der Sheriff las den Bericht über die Blutuntersuchung eines sechsjährigen, nur mit einer Nummer gekennzeichneten Jungen.
    »Wieder ein Fall von Hepatitis.« Auf dem nächsten Bogen unter einem späteren Datum war ein positiver Syphilistest verzeichnet. »Wie kam Cass darauf, bei einem Sechsjährigen, bei dem eine Hepatitis festgestellt wurde, einen Syphilistest zu machen? Hepatitis ist in unseren Schulen ziemlich häufig.«
    »Aber nicht die Art, die durch Blut übertragen wird«, widersprach Charles. »Kleine Kinder holen sich auf der Toilette manchmal eine sehr ansteckende Form der Gelbsucht,

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