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Der steinerne Engel

Titel: Der steinerne Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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Vergehen, das man Jessop vorwerfen könnte, ist die Tatsache, dass er über Cass Shelleys Tod nie hinweggekommen ist.« Riker sah dem Zigarettenrauch nach, der sich zur Decke kräuselte. »Der arme Kerl! Und du glaubst, er könnte Beihilfe zu einem Mord geleistet, womöglich den Täter gedeckt haben? Augusta hast du doch auch im Verdacht, stimmt's? Wer ist der Nächste? Henry?«
    Charles wollte etwas sagen, ließ es dann aber bleiben. Mallory hatte ihn blind, Riker stumm gemacht, und der war noch nicht fertig mit ihm.
    »Selbst Mallory, die keinem Menschen über den Weg traut, hätte dir gesagt, dass du dir da was zusammen spinnst. Woher ich das weiß?« Er beugte sich vor, um seinen letzten Trumpf auszuspielen. »Könnte sein, dass sie dazu länger braucht als normale Menschen - aber selbst Mallory, die keinen Funken Moral im Leib hat, würde erkennen, wenn ein Mann es ehrlich meint.«
    Charles sank besiegt auf seinem Stuhl zusammen, und Riker sagte sich, dass es vielleicht doch Zeichen und Wunder gab, denn der Blinde konnte plötzlich wieder sehen.
    Gelobet sei der Herr!
    Aber halt - diese Wunderheilung hatte vielleicht auch ihre Schattenseiten, denn der traurige Riese sah jetzt möglicherweise schärfer, als ihm lieb war.
    »Es ist ja alles gut gegangen, Charles. Du hast zu ihr gehalten, und sie hat sich Gerechtigkeit für ihre Mutter erkämpft. Das müsste dich doch trösten.«
    Doch Charles mochte sich nicht trösten lassen.
    »Was willst du eigentlich, Charles? Absolution? Die kannst du haben.« Riker zeichnete mit seiner Zigarette ein Kreuz in die Luft.
    Jane stand am Fenster ihres Cafés, als der silberfarbene Mercedes vor dem Büro des Sheriffs hielt. Die beiden Männer aus New York halfen einem Dritten aus dem Fond. War es ein erwachsener Mann oder ein Junge? Er hatte sich nach Art der berühmten Mörder, die sie im Fernsehen zeigten, eine Jacke über den Kopf gezogen.
    Charmaine, Janes Kassiererin, stellte sich, in Schwaden von Billigparfüm gehüllt, neben sie. »Wer ist denn das?«
    Ungehalten über die Störung schüttelte Jane den Kopf. Sie blickte zu der Veranda des kleinen Hotels. Dort war niemand zu sehen, Betty war wohl mit ihren Touristen auf dem Friedhof. Umso besser - dann gehörte diese Szene Jane ganz allein.
    Der Mann, den die beiden aus New York in die Mitte genommen hatten, war klein und schlank. Das schränkte die Möglichkeiten schon etwas ein. Und jetzt sah sie unter der hochgezogenen Jacke den unteren Rand eines roten Hemdes, sah die typischen roten Socken ... Das konnte doch nicht wahr sein! Also wirklich, wer hätte das gedacht?
    »Das ist ja unser Idiot.« Charmaine reckte den Hals und sprach aus, was ihre Chefin nur gedacht hatte. »Ist er verhaftet?«
    »Sieht so aus«, sagte Jane. »Der Mann mit dem grässlichen Anzug ist Kriminalbeamter.«
    »Möchte wissen, was der Idiot auf dem Kerbholz hat. Dass seine Mutter ihn in der Stadt rumlaufen lässt und jeden Tag mit ihm zum Essen herkommt, als wenn er ein normaler Mensch wär, wundert mich ja sowieso. Hab ich dir nicht immer schon gesagt, dass der Kerl gefährlich ist, Jane?«
    »Ja, Charmaine, ich glaube schon.« Mehr als zwanzigmal, du gebleichte Schlampe.
    »Was mag er angestellt haben?«
    »Als gute Christen sollten wir darüber gar nicht spekulieren. Armer Ira! Aber noch mehr tut mir die Mutter Leid.« Janes Lächeln war weder christlich noch mitleidig zu nennen, als sie Teller und Schüsseln auf ein Tablett stellte und füllte. »Der Gefangene wird sein Mittagessen brauchen.«
    »Es ist ja noch nicht mal elf.« Charmaine sah auf ihre Armbanduhr, von der sie steif und fest behauptete, sie sei aus Gold. »Bisschen früh, was?«
    Charmaine war seit jeher ein wenig unterbelichtet.
    Der Sheriff folgte Lilith Beaudare ins Vorzimmer, um Charles Butler und Detective Riker zu begrüßen. Auf der Bank hinter ihnen saß ein Mann, der sich eine Baumwolljacke über den Kopf gezogen hatte.
    Tom Jessop beschloss, ihn erst mal so sitzen zu lassen. Das schürte die Angst, und auch er selbst hatte es jetzt nicht so eilig. Schließlich lebte er seit siebzehn Jahren von der Erwartung.
    »Wir haben uns schon gefragt, wann Sie uns den Zeugen bringen würden«, sagte er.
    »Eigentlich sollte es eine Überraschung sein«, erwiderte Riker. »Jetzt haben Sie uns den Spaß verdorben, Sheriff!«
    »Da müssen Sie sich bei Lilith beschweren. Sie war heute Nacht auf dem Friedhof und hat alles beobachtet. Kommt Kathy auch?«
    »Theoretisch«, sagte Riker,

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