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Der steinerne Engel

Titel: Der steinerne Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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prallte er ab, ohne viel Schaden anzurichten. Trotzdem richtete Mallory ihre Waffe auf den Angreifer. Der Vierzehn- oder Fünfzehnjährige begriff, dass seine Jugend ihn nicht schützen würde. Wenn ihre Kugel ihn am Kopf traf, war er erledigt. Rasch ging er hinter den Erwachsenen in Deckung. In der Kneipe, vor der er stand, klirrte das Glas der breiten Schaufenster, und Flammen schlugen aus der Öffnung. Die Menge bewegte sich in ruckartigen Wellenbewegungen.
    »Sie haben keinen Anführer«, sagte Mallory, »und warten darauf, dass wir ihnen die Stichworte liefern. Bleib cool, Charles.«
    Leichter gesagt als getan.
    Ein kleiner Wichtigtuer schob sich in den Vordergrund. Sein Stein traf Mallory an der Schulter. Die Vergeltung ließ nicht auf sich warten. Sie drückte ab, als der Mann gerade weglaufen wollte. Er fiel hin und griff sich schreiend an die Seite, aus der ein Blutstrom quoll. Der nächste Stein kam hinter einem parkenden Wagen hervor. Mallory schoss auf die Wagenscheibe. Stolpernd und mit schmerzverzerrtem Gesicht brachte sich ein Mann in Sicherheit, auf dessen Schulter sich ein großer Blutfleck ausbreitete.
    Mallory feuerte aufs Geratewohl eine Salve in die Menge und gab gleich darauf noch einen gezielten Schuss ab.
    Jetzt blieben sie stehen. Allmählich ging ihnen wohl auf, wie groß für jeden Einzelnen von ihnen die Gefahr war, bei diesem unheimlichen Russischen Roulette ums Leben zu kommen.
    Nun brauchte sie nur den Revolver zu heben, um die Menge auf Abstand zu halten. Charles hatte mitgezählt - ihr sechsschüssiger Revolver musste jetzt eigentlich leer sein. An die zwanzig Leute hielten immer noch mit ihnen Schritt.
    Ein Stein traf Mallory zwischen den Schulterblättern. Sie drehte sich um und zielte. Der Steinwerfer streckte die Hände aus, als könnte er damit die Kugel aufhalten, und wich zurück. »Halt mal einen Augenblick Riker fest, Charles, aber bleib nicht stehen.« Sie holte den Schnelllader aus dem Gürtel, lud die leeren Kammern nach und nahm dann wieder Rikers Arm.
    Charles spürte die zunehmende Hitze in seinem Rücken. Als er sich umdrehen wollte, sagte Mallory: » Schau nicht hin. Die Häuser brennen. Sonst gibt's da nichts zu sehen.«
    Das stimmte nicht ganz. Über den Köpfen der Menge entdeckte er eine hoch gewachsene, sich geschmeidig bewegende Gestalt mit wehendem weißen Haar, die mit einem Benzinkanister und einer Flasche, in deren Hals ein Tuch steckte, von Haus zu Haus lief.
    Wieder flog ein Stein. Er traf Mallorys Bein. Aus der Menge kamen Hurrarufe. Endlich mal wieder ein Treffer! Sie schoss in eine kleine Gruppe auf dem Gehsteig. Ein Mann schrie auf, die Übrigen rückten von ihm ab, als hätten sie Angst, die Kugeln könnten ansteckend sein. Während Mallory noch zu ihrem Opfer hinsah, hob sich wieder ein Arm, um einen Stein in ihre Richtung zu schleudern, doch in diesem Moment traf den Mann, dem der Arm gehörte, selbst ein Stein am Kopf. Aus der Dunkelheit kam ein leises, fast mädchenhaftes Lachen - aber Charles wusste, dass es Augusta war.
    Zwei Ratten flüchteten über die Veranda eines Hauses vor dem schwarzen Rauch, der sich träge auf die Straße wälzte, dann aber wieder unter der Türschwelle verschwand, als habe das Haus ihn verschluckt. Sekunden später gingen durch die Hitze zwei Fenster zu Bruch, die Scherben fielen klirrend auf die Straße, und die Flammen schlugen an den Außenwänden hoch.
    Das von Augusta zunächst als Schoßtier gehätschelte Feuer hatte sich selbstständig gemacht. Eine Flammensäule stieg zum Himmel auf. Charles spürte sengende Hitze auf seinem Gesicht, und seine Augen brannten. Der Wind wehte den Rauch zum Bayou hinüber, zurück blieben ein beißender Geruch und das Brausen des Feuers. Es fraß sich satt.
    »Hab keine Angst«, sagte Mallory fast beiläufig. »Das hat jetzt keinen Sinn mehr.«
    Charles hatte sich schon in dem Augenblick verloren gegeben, als er sich über Riker warf, um ihn zu schützen. Mallory hatte ihm das Leben geschenkt. Es war ein Geschenk, für das sie einen hohen Preis bezahlt hatte. Und er besaß nichts, womit er sich hätte revanchieren können. Obwohl er wusste, dass seine Angst sinnlos war, fürchtete sich sein Körper noch immer. Sein Herz raste, Adrenalin schoss durch seine Adern.
    Neben dem brennenden Haus standen zwei junge Männer, tranken abwechselnd aus einer Whiskeyflasche und machten sich über das Feuer lustig. Offenbar war ihnen nicht klar, was das für sie bedeutete.
    Eine Flamme schoss

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