Der steinerne Engel
der lautstarken Auseinandersetzung, fasziniert zu dem langsam kreisenden Deckenventilator hinauf. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt und wiegte sich wie in Trance hin und her. Die Vorwürfe seiner Mutter ließen ihn offensichtlich kalt, ja, er schien kaum wahrzunehmen, dass sie im Zimmer war.
»Nachdem Babe Laurie tot ist«, konterte der Sheriff, »scheint es mir ziemlich sinnlos, Anzeige gegen ihn zu erstatten, Darlene.«
»Deshalb bin ich auch nicht hier.« Darlene kramte in der schwarzen Handtasche herum, die ihr an einem schmalen Riemen von der Schulter hing. »Ich möchte die Kaution für die junge Frau zahlen, die bei dir in einer Zelle sitzt. Wenn sie den Mistkerl wirklich umgebracht hat, ist es das wenigste, was ich für sie tun kann.« Darlene holte Scheckbuch und Stift heraus.
Der Sheriff winkte ab. »Für die Inhaftierte kann keine Kaution gestellt werden.«
»Du hast nicht das Recht, dieses Kind im Knast zu behalten, Tom Jessop. Es steht doch gar nicht fest, dass sie es war. Wer weiß, vielleicht habe ich ihn ermordet. Daran hast du wohl überhaupt noch nicht gedacht, was?«
Sheriff Jessop lächelte. »Im Gegenteil, Darlene. Du warst sogar der Spitzenreiter auf meiner Liste, noch vor Babe Lauries Witwe und der Kleinen in der Zelle. Männliche Verdächtige habe ich überhaupt noch keine. Frauen sind eben wirklich die besseren Killer. Der Frauenklub Dayborn wird mich noch zum Feministen des Jahres wählen.«
Der Sheriff setzte sich in den grünen Ledersessel hinter dem unordentlichsten Schreibtisch, den Charles je zu Gesicht bekommen hatte, und drehte sich verabschiedend zum Fenster.
Doch so schnell wurde er Darlene nicht los. Sie ging um den Schreibtisch herum und stellte sich vor ihm in Positur. »Niemand hat gefragt, wo ich war, als Babe Laurie ermordet wurde.«
»Nicht nötig«, sagte er leicht zerstreut, aber dann lächelte er wieder und schien Kraft für die nächste Runde zu sammeln. »Ich weiß, dass dein Wagen in die gleiche Richtung fuhr wie der von Malcolm und Babe. Aber sie haben an der Tankstelle Station gemacht, während du zum Krankenhaus gebrettert bist.«
Er schwenkte zu den hochgetürmten Papierstapeln auf seinem Schreibtisch herum, griff scheinbar wahllos in das Durcheinander, zog ein handgeschriebenes Blatt hervor und schwenkte es wie eine Fahne. »Das ist die Aussage von Manny, dem Tankwart. Deine Fahrweise hat ihm mächtig imponiert.«
Wieder griff er in einen Papierberg und zog etwas heraus. Charles staunte über seinen zielsicheren Griff, denn in diesem Chaos, das aussah, als hätten hier Vandalen gewütet, war beim besten Willen kein Ordnungsprinzip zu erkennen.
»Hier ist die Aussage des Arztes. Er sagt, dass du nach Anbruch der Dunkelheit das Krankenhaus verlassen hast.« Der Sheriff ließ das Blatt fallen, lehnte sich zurück und spreizte die Hände, als wollte er ihr zeigen, dass er kein Ass im Ärmel hatte. Trotzdem wurde Charles den Eindruck nicht los, dass sein Umgang mit den Papierhaufen nicht mehr und nicht weniger als Zauberei war.
»Tut mir wirklich Leid, Darlene, aber dein Alibi ist hieb- und stichfest. Ich verstehe ja durchaus, dass du deinen Hut in den Ring werfen wolltest, aber …«
Man sah ihr an, dass sie am liebsten mit dem Fuß aufgestampft hätte. »Du musst die Bezahlung einer Kaution zulassen, Tom, das ist gesetzlich vorgeschrieben.«
»Nicht in einem Mordfall. Sie hatte eine Waffe bei sich, ein Mordstrumm von Kanone.«
Darlene beugte sich vor, bis sie fast Nase an Nase mit dem Sheriff war, und lächelte süß. »Wie viele Schüsse hat sie denn mit dem Stein auf das Opfer abgegeben?«
»Scheiße.« Der Sheriff sah aus, als sei er tatsächlich in einen Hundehaufen getreten. »In diesem Nest gibt es wohl keinen, der nicht über diesen verdammten Stein Bescheid weiß.«
Er stand auf, um besser auf Darlene herabsehen zu können, und aus dieser günstigen Position heraus erklärte er: »Stein oder Kanone – das spielt keine Rolle. Es war ein sorgfältig geplanter vorsätzlicher Mord. Ich muss davon ausgehen, dass sie mit dieser Waffe etwas bezweckte – ob sie den Mann nun damit umgelegt hat oder nicht.«
Darlene kreuzte die Arme. »Das sind alles nur Vermutungen. Du hast ja nicht mal ein Motiv. Du kannst sie nicht in Haft behalten.«
»Vergiss nicht, dass du keine Anwältin bist, Darlene, sondern nur für einen Anwalt arbeitest. Ich kann sie als wichtige Zeugin hier behalten. Es ist nicht das erste Mal, dass bei ihr Fluchtgefahr zu
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