Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der steinerne Engel

Titel: Der steinerne Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
Vom Netzwerk:
vertraute Bubblegumduft entströmte.
    »Wir verteilen sie an die Kids.« Der Sheriff griff sich ein paar Packungen, ehe Charles alle wieder zurückstopfen konnte.
    »Babe war also verkommen?« Die Landschaft zog quälend langsam am Fenster vorüber, und Charles sah auf die Uhr. »Eigentlich müssten doch Wanderprediger ein besonders tugendhaftes Leben führen …«
    »Babe war kein Heiliger, so viel ist sicher. Wenn er mir über den Weg gelaufen ist, war er regelmäßig stockbesoffen oder high von Drogen. Und krank obendrein, dieser Jammerlappen.«
    »Krank?«
    »Und ob. An die Party im Dayborn Bar and Grill erinnern sich hier alle noch. Sie ging drei Tage. Angekündigt war sie als Geburtstagsfeier – er war gerade neunzehn geworden –, aber in Wirklichkeit feierten die Lauries Babes ersten Tripper.« Er zog aus dem Durcheinander auf dem Armaturenbrett ein Blatt hervor, auf dem das Siegel des Amtsarztes prangte, und reichte es Charles. »Zweite Seite oben.«
    Charles überflog den Text. Laut Autopsiebericht litt Babe Laurie bei seinem Tod an einer Geschlechtskrankheit in fortgeschrittenem Stadium. Im Mageninhalt hatte man unter anderem auch zahlreiche Drogen und Alkohol gefunden.
    Sie kamen an einer Gruppe von Wohnwagen vorbei. Männer in ärmellosen T-Shirts standen beieinander und kippten ihr Frühstücksbier. Es kam zu einer Rangelei, einer der Männer ging zu Boden, ein anderer trat ihm in die Rippen und goss ihm den Inhalt einer Bierdose über den Kopf. Den Sheriff schien der Zwischenfall nicht zu interessieren.
    Charles wickelte sein Päckchen aus, schnupperte an dem Bubblegum und meinte die rosa Farbe förmlich zu riechen. Der Geschmack setzte eine Flut von Erinnerungen frei. Als er in jenem Sommer Vetter Max über Land begleitet hatte, war Bubblegum sein ständiger Begleiter gewesen.
    Noch ehe sie auf dem Parkplatz angekommen waren, hatte er sich selbst übertroffen, indem er eine größere Blase zustande gebracht hatte als der Sheriff mit der doppelten Menge an Material; dann zog er eine richtige Schau ab, indem er eine Blase innerhalb der Blase erzeugte, und krönte das Ganze mit einem prächtig lauten Knall. Der Sheriff nahm die Hände vom Lenkrad, um Beifall zu klatschen. Dann hielt der Wagen auf dem unbefestigten Parkplatz, und die beiden saßen eine Weile freundschaftlich beieinander und bliesen um die Wette.
    »Mir ist aufgefallen, Sheriff …« Plopp. »… dass in Owltown keine Kinder herumlaufen.«
    Plopp. »Die Familien mit Kindern wohnen in Dayborn. Was in Owltown haust, ist Abschaum. Hier kaufen und bedienen nur Säufer, Junkies, Nutten und Perverse.«
    Plopp. »Wie viele Lauries gibt es?«
    »Mit Vettern und Cousinen ersten und zweiten Grades und angeheirateten Verwandten sind es ein paar hundert. Als das Familienunternehmen so groß wurde, dass Malcolm und seine Brüder es nicht mehr allein betreiben konnten, haben sie sich Verwandte aus Texas und den Carolinas geholt. Die arbeiten jetzt alle für die Neue Kirche.«
    Plopp. Plopp.
    »Wie kann eine Kirche so viele Menschen ernähren?«
    »Wenn die Sekte im Norden herumreist, im so genannten Bibelgürtel, nehmen sie mindestens dreißigtausend Dollar pro Abend ein. An einem schlecht besuchten Abend wohlgemerkt. Und zu Hause, mit dem Versandgeschäft, machen sie noch mehr Geld.«
    Charles missglückte eine Blase. »Religion per Versand?«
    Plopp. »Für eine Fünf-Dollar-Spende kriegen Sie ein Tütchen Erde aus dem Heiligen Land. Als ich hier auf den Parkplatz fuhr, hab ich wahrscheinlich ein schönes Stück von dem heiligen Dreck zusammengefahren.«
    Plopp. »Gott wird es Ihnen vergeben«, sagte Charles. »Und wie viel kostet ein Splitter vom wahren Kreuz?«
    »Zwanzig Dollar. Dafür werden die Hobelspäne in einen Plastikstreifen eingesiegelt, den können Sie dann als Buchzeichen für die Lieblingsstellen in Ihrer Bibel mit eigenhändiger Widmung benutzen.«
    Plopp. »Mit wessen eigenhändiger Widmung?«
    »Aller zwölf Autoren.«
    Die letzte Blase von Charles fiel einem Lächeln zum Opfer. Das Plopp des Sheriffs klang nicht ganz so satt, dafür hatte er die bessere Pointe geliefert. Einigermaßen entsetzt musste Charles zur Kenntnis nehmen, dass der Sheriff keine Witze machte. Im Verwaltungsrat der Neuen Kirche saßen zwölf Apostel, und der Text der Bibel war in wesentlichen Teilen umgeschrieben worden.
    Als Charles die Beifahrertür öffnete, beugte der Sheriff sich zu ihm hinüber. »Ich schicke Ihnen meine Vertreterin, die soll Sie

Weitere Kostenlose Bücher