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Der steinerne Engel

Titel: Der steinerne Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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die einem Menschen mühelos die Haut aufritzen konnten.
    Du hast noch viel zu lernen, Neue – und ich werde es dir beibringen …
    »Du heißt bestimmt nicht Mädel mit Vornamen.« Mallory wusste sogar, dass Deputy Beaudares zweiter Vorname Mary war. Den größten Teil ihrer Informationen verdankte sie Jane, die ihr dreimal am Tag das Essen brachte und bereitwillig für zwei redete.
    Sie fegte die Federn auf die Kehrschaufel. Ein paar flogen dabei durch die Gitterstäbe.
    »Mein Name ist Lilith Beaudare.« Unaufgefordert reichte sie Mallory auch den großen grünen Müllsack, der genau über den dunklen Kopf passte und mit dem Mallory die Anfängerin hätte ersticken können.
    »Was hast du als Klassenbeste eigentlich hier zu suchen, Lilith? Mit diesen Ergebnissen hättest du bei der Jobsuche freie Wahl gehabt.« Sie legte Müllsack und Kehrschaufel auf der kleinen Kommode an ihrem Bett ab. »Wahrscheinlich zerbricht er sich jetzt schon den Kopf darüber, was du hier in St. Jude willst, dem kleinsten Ort im ganzen Bundesstaat mit einer Bevölkerung, die in zwei Straßenblocks von New Orleans passen würde.«
    »Ich bin hier geboren, da ist es doch ganz logisch …«
    »Im Gegenteil. Logisch wäre es, wenn du möglichst weit weg wolltest. Klassenbeste und Deputy in einer Kleinstadt? Da stimmt doch was nicht.«
    Mallory fegte jetzt die Federn unmittelbar vor den Gitterstäben zusammen. »Er wird sich denken, dass du ihn belügst. Oder dass du irgendwo Mist gebaut hast und hierher strafversetzt worden bist.«
    »Ich …«
    »Vielleicht sollst du hier was ausspionieren. Klingt glaubhaft, wie?«
    Sogar Jane hatte sich darüber gewundert, dass die Polizei dem Sheriff Lilith als Vertreterin geschickt hatte. Seit Jahrzehnten stellte Tom Jessop seine Leute selbst ein und bildete sie aus. »Du hast dir jede Menge Fehler geleistet, Lilith, aber vielleicht ist er so blöd, wie du glaubst, und kann nicht zwei und zwei zusammenzählen. Es sei denn, dass jemand ihn mit der Nase drauf stößt.«
    Lilith hatte es die Sprache verschlagen.
    Mallory deutete auf den Sessel an ihrem Bett. »Komm rein und setz dich, dann will ich dir mal sagen, was hier Sache ist.«
    Das klang so sehr nach einem Befehl, dass die Neue um ein Haar gehorcht hätte. Doch dann hielt die Hand inne, die den Schlüssel hielt. Lilith ließ den Arm sinken und starrte ihre Gefangene an.
    Mallory senkte den Blick, kniete sich hin, um mit dem Besen unters Bett zu fahren, und kitzelte eine kleine Federwolke heraus. Sie wandte Lilith Beaudare den Rücken zu, als sie das Schloss klicken hörte und jemand die Zelle betrat. Dann wurde die Tür wieder abgeschlossen. Als Mallory aufsah, hatte die Neue die Hand an den Revolver gelegt.
    Bestens.
    Mallory deutete einladend auf den Sessel. Lilith blieb stehen und sah Mallory an, als habe sie eine Viper vor sich, die jeden Augenblick zubeißen konnte. Und so war es ja auch.
    »Er hat dich also richtig kleingekocht.« Mallory widmete sich wieder den Federn unter dem Bett. Der Sessel hinter ihr knarrte. »Das macht er bestimmt oft.« Als sie sich umdrehte, saß Lilith Beaudare stocksteif da und umklammerte ein Staubtuch.
    »Er ist ein Mistkerl«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich könnte ihn melden, weil …«
    »Keine gute Idee.« Mallory fegte Federn auf die Kehrschaufel und fuhr in lockerem Gesprächston fort: »Wenn man andere Leute bittet, die eigenen Probleme zu lösen, ist man ein für alle Mal als Verlierer gebrandmarkt.«
    Das gefiel der Neuen ganz und gar nicht. Pech für dich, Lilith Beaudare.
    »Ich habe einen besseren Vorschlag.« Mallory leerte die Schaufel in den grünen Plastiksack. »Tu alles, um ein Cop zu werden, mit dem man so was nicht machen kann.« Bedächtig stand sie auf und fegte sich näher an den Sessel heran. Lilith war der verkörperte Argwohn.
    Mallory griff wieder nach ihrer Schaufel und fing flüchtige Federn wieder ein. »Du solltest besser schießen können als die anderen, auch wenn du dafür Überstunden machen und zusätzliche Übungsmunition bezahlen musst.« Sie trat ans Fenster, fuhr mit dem Zeigefinger über das Fensterbrett und besah sich missbilligend den Staub, der darauf haftete. »Und du musst lernen, klarer zu denken und nicht immer mit allem gleich herauszuplatzen. Mach den Mund nur auf, wenn du was zu sagen hast, und sag nur, was sich zu sagen lohnt.«
    Lilith Beaudare wirkte jetzt nicht mehr so angespannt, sie hielt das Staubtuch lockerer. Mallory beugte sich vor,

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