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Der steinerne Engel

Titel: Der steinerne Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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das nicht zu erwähnen«, erwiderte der Sheriff, als erkläre er einem Kind etwas zum zehnten Mal und sei es allmählich leid.
    »Wozu die Geheimnistuerei? Die Mutter hat ein Recht darauf, es zu erfahren. Wenn der Junge hier war, als …«
    »Mal angenommen, der Junge war hier. Na und?«, fragte der Sheriff ziemlich ungehalten. Dann machte er den Mund fest zu. Es sah aus, als ob er langsam bis zehn zählte. Leiser und entspannter fuhr er fort: »Sie haben Darlene kennen gelernt, Mr. Butler. Sie wäre bestimmt nicht begeistert, wenn sie es zu diesem späten Zeitpunkt erfahren würde. Zuerst würde sie mich fertig machen und die Geschichte dann überall herumerzählen.«
    »Falls Ira seine Ärztin sterben sah, wäre das eine Erklärung dafür, dass er Probleme …«
    »Wenn Sie es Darlene sagen, kriegt er noch mehr Probleme. In Dayborn tut dem Jungen keiner was, die meisten hier kennen ihn von klein auf. Aber ich muss an das Gesindel in Owltown denken, die könnten auf die Idee kommen, dass Ira eine Gefahr bedeutet. Sie wissen, wie Cass gestorben ist?«
    »Ja, aber Ira war noch ganz klein, als …«
    »Ira wiederholt alles, was man sagt. Vielleicht würden diese Leute den Mord an Babe auch als eine Art Wiederholung sehen, weil die Mordwaffe ein Stein war – genau wie bei Cass.«
    Ziemlich weit hergeholt, dachte Charles. Offenbar war der Sheriff gut im Gedankenlesen, denn er sagte: »Nehmen wir an, dass Ira Zeuge eines nicht aufgeklärten Mordes wurde. Was ist, wenn einer der Mörder sich an ihn heranmacht? Vielleicht mehr als einer? Cass ist von einem Mob gesteinigt worden.«
    »Ich verstehe.« Schon bei dem Gedanken daran, dass Ira etwas zustoßen könnte, wurde Charles ganz blass. »Von Augusta weiß ich, dass Sie kein Mordmotiv haben finden können.«
    »Ein spontanes Verbrechen war es jedenfalls nicht.« Der Sheriff griff nach einer Box und betrachtete das Etikett. »Es ging ganz ruhig zu – fast wie bei einer Hinrichtung.«
    »Wie ist das möglich? Wenn eine aufgeputschte Menge mordet, sollte man doch denken …«
    Jessop wiederholte geduldig, als habe er es mit einem sehr begriffsstutzigen Zeitgenossen zu tun: »Es ging ganz ruhig zu.« Dann drehte er Charles betont den Rücken zu.
    Der blätterte erneut in dem Terminkalender und stieß auf einen weiteren bekannten Namen. »Babe Laurie gehörte also auch zu Dr. Shelleys Patienten?«
    »Ja«, sagte der Sheriff fast gelangweilt, »aber Cass musste ihn praktisch von der Straße holen, um ihn zu behandeln.« Er trat neben Charles und warf einen kurzen Blick auf die Seite, dann ließ er sich müde in einen Sessel fallen, von dem eine Staubwolke aufstieg. »Das war der Tag, an dem sie bei Babe die Syphilisschädigungen fand. Ich hab Ihnen ja von der Drei-Tage-Party erzählt. Babe war damals neunzehn, und ich gehe jede Wette ein, dass er keinen Schimmer hatte, was eine Geschlechtskrankheit ist. Der Junge hatte von nichts eine Ahnung, er ist nie auch nur einen Tag zur Schule gegangen. Als er fünfzehn war, hat Cass ihn mal ins Haus geholt, um eine Kopfwunde zu nähen, die er sich bei einer Prügelei zugezogen hatte. Keiner aus seiner Familie hatte es für nötig gehalten, mit ihm zum Arzt zu gehen.«
    Der Sheriff streifte mit der Hand die Arzttasche und lächelte ein wenig. Offenbar war ihm eine erfreulichere Erinnerung gekommen. Dann wurde er wieder ernst. »Manchmal hat mir Babe fast Leid getan. So wird es Cass auch gegangen sein. Sie war die Einzige, die jemals nett zu ihm war, ohne ihn auszunutzen.«
    »Er kommt also als Verdächtiger für den Mord an Dr. Shelley nicht in Frage?«
    »Das habe ich nicht gesagt.« Der Sheriff wuchtete sich aus dem Sessel hoch und ging zur Treppe. »Besonders dankbar war Babe seiner Ärztin nämlich nicht. Sie musste ihm förmlich nachlaufen, wenn sie ihn behandeln wollte, und das passte ihm nicht. Er hat sie wüst beschimpft.«
    Charles stieg hinter dem Sheriff die Treppe hinunter. Sie waren schon im Erdgeschoss, als Charles die nahe liegende Frage stellte: »Und weshalb sind Sie heute hier, Sheriff?«
    »Die Gefangene ist heute früh ausgebrochen.« Jessop marschierte zielstrebig auf die Haustür zu.
    Charles schwieg. Wenn er jetzt den Sheriff beim Blazer packte, wenn er ihn fragte, ob Mallory etwas passiert war, konnte Jessop auf den Gedanken kommen, dass er mehr als nur flüchtiges Interesse an seiner einstmaligen Gefangenen hatte. »Und Sie dachten, Mallory sei vielleicht hier?«
    Der Sheriff sah etwas verlegen drein. »Haben

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