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Der steinerne Engel

Titel: Der steinerne Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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geliebt. Später aber ist ihm wohl klar geworden, dass der Hund ihm bei seiner Liste helfen konnte.«
    »Bei seiner Liste?«
    »Einer Liste der Leute, die zu der Mörderbande gehörten. Wie Travis zum Beispiel.«
    »Travis? Der Deputy Sheriff, der den Herzanfall hatte?«
    »Eben der. Seit der Hund den Deputy zum ersten Mal angegriffen hat, war Travis dem Sheriff verdächtig. Tom hat den Mann nur behalten, um ihn quälen zu können. Travis musste den Hund immer zum Tierarzt bringen. Einmal hat der Labrador sich einen Zahn ausgeschlagen, als er gegen die Scheibe von Travis’ Wagen geknallt ist. Als er noch jünger war, hätte er dem Deputy fast ein Bein abgebissen. Travis hat gekreischt wie ein Weib, bis ich den Hund von ihm weggezogen habe.«
    »Ist es denkbar, dass der Herzanfall durch den Hund ausgelöst wurde?«
    »Nein. Travis hat sich nie ohne mich an den Hund herangetraut. An dem Tag, als er seinen Herzanfall bekam, hatte ich mich verspätet. Als er mich hier nicht fand, hat er vermutlich einfach umgedreht und ist in die Stadt zurückgefahren. Ich habe ihm immer geholfen, den Hund in den Wagen zu verfrachten, habe ihn vom Tierarzt abgeholt und bin mit ihm zu Fuß nach Hause gegangen. Der Tierarzt sagte, dass er Bewegung braucht. In den siebzehn Jahren, die ich mit dem Hund gehe, hab ich auch meine Liste um etliche Namen erweitern können.«
    In Beantwortung von Charles’ unausgesprochener Frage fügte er hinzu: »Wir sprechen nie davon, aber wir haben beide eine Liste, Tom und ich.«
    »Der Sheriff meint also, dass der Hund Travis erkannt hat.«
    Henry nickte. »Tom hat den Hund auch benutzt, um Alma Furgueson zu quälen, die Frau mit den lila Haaren, die Sie gestern über den Marktplatz haben laufen sehen. Alma hatte ihre festen Gewohnheiten. Wenn sie am Samstag ihre Einkäufe auf dem Markt erledigte, war der Sheriff mit dem Hund schon da und wartete auf sie.«
    »Der Hund hat sie erkannt?«
    »Nein. Alma hat den Hund erkannt, und das machte ihr Angst. Tom und der Hund guckten sie eine Weile an, dann gingen sie wieder. Ein bisschen verrückt war sie schon, aber mit der Zeit wurde es immer schlimmer mit ihr. Jetzt führt sie Selbstgespräche und heult die ganze Zeit. Das geht auf das Konto des Sheriffs. So einen darf man sich nicht zum Feind machen.«
    »Sie halten ihn für gefährlich?«
    »Einmal hat er Fred Laurie dabei erwischt, wie er auf den Hund geschossen hat. Dreimal hat er ihn verfehlt, der Trottel. Der Sheriff hat den Mann fast totgeschlagen.«
    »Und Sie haben Fred Laurie auf Ihre Liste gesetzt.«
    »An dem Tag haben es zwei Laurie-Brüder auf meine Liste geschafft. Fred und Ray. Gewalttätige Burschen. Vielleicht hat Malcolm ihnen deshalb nie Geld gegeben – da konnte er sie besser im Zaum halten. Aber für fünfzig Dollar hätte jeder die beiden kaufen können, und es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass sie für Geld ein schmutziges Geschäft erledigt hätten.«
    »Und Babe?«
    »Über Babe hab ich mir eigentlich nie viel Gedanken gemacht.«
    Henry griff nach der Tüte mit Hundefutter. Charles folgte ihm hinters Haus, wo er sie in einem Gartenschuppen abstellte. Als seine Hände wieder frei waren, fragte Henry: »Haben Sie genug vom Haus gesehen?«
    Charles nickte. Dass Henry heute so gesprächig war, das kam ihm nicht geheuer vor.
    »Mallory möchte, dass Sie gehen, und ich finde, das ist eine gute Idee. So ruhig hier auch alles scheint – inzwischen müssten Sie eigentlich begriffen haben, dass dieser Ort sehr gefährlich sein kann.«
    »Ich gehe nicht.«
    »Das hab ich mir gedacht.«
    »Sie haben heute mit Mallory gesprochen, stimmt’s?«
    Ohne auf seine Frage einzugehen, erwiderte Henry : »Es ist wichtig, dass Sie sich darüber im Klaren sind, womit Sie es zu tun haben.« Er blieb stehen und sah zu Boden. »Hier ist Cass gesteinigt worden. Nach den Spuren auf dem nassen Boden zu schließen, glaubt der Sheriff, dass es gegen dreißig Leute waren.«
    Charles dachte an die Sechsjährige, die in einem Schrank eingesperrt gewesen war, während der Mob ihre Mutter ermordete.
    »Als ich am nächsten Morgen kam, hörte ich die Musik im Haus. Musik von einem alten Plattenspieler. Die Nadel war hängen geblieben. Er spielte immer wieder dieselben fünf Töne.«
    »Der Sheriff meint, dass es bei der Steinigung ganz ohne Lärm abging.«
    »Ja, es war sehr eigenartig.«
    »Da habe ich aber ein Problem mit der Logik, Henry. Der Sheriff sagt, dass der Mord mehr oder weniger schweigend geschah.

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