Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der steinerne Engel

Titel: Der steinerne Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
Vom Netzwerk:
Jessop. Dein Vater war Anwalt, er hat dir beigebracht, dass man für so was einen Durchsuchungsbefehl braucht.«
    Er drängte sich durch die Tür, ohne auf sie zu achten, und sie folgte ihm ins Haus. »Du lässt sechs Millionen Stechmücken rein.« In ihrer Stimme schwang Zorn – nichts sonst.
    Er ging durch die lange Diele in die Küche, hob den Kopf und starrte die gelbe Katze auf dem Kühlschrank an. Die Katze starrte zurück. Augusta stand jetzt neben ihm. Ihre Augen weiteten sich ein wenig, als sie die Waffe in seiner Hand sah.
    »Du magst doch das Vieh, oder?«, fragte er und zielte. »Ist das da im Garten Kathys Blut? Ich erwarte eine ehrliche Antwort.«
    Die alte Dame hob abwehrend die Hand, als habe er gedroht, sie zu erschießen und nicht die Katze. Dann schwenkte sie die Arme und stieß einen spitzen Schrei aus. Die Katze kniff die Augen zusammen und legte die Ohren an, dann stürzte sie sich mit einem Satz auf den Sheriff und schlug ihm Krallen und Zähne in Brust und Schulter. Durch die Fliegentür der Küche hörte er den Gaul wild wiehern, Vogelschwärme erhoben sich aus den Büschen am Ufer und verdunkelten kreischend und flügelschlagend den Himmel. Die Zähne gruben sich tief in seine Hand. Er ließ den Revolver fallen und schlug nach der Katze. »Ruf das Vieh zurück, Augusta, sonst brech ich ihm das Genick.«
    Augusta hob den Revolver auf, öffnete ein Fenster und schleuderte die Waffe mit einem weiten Wurf ins Gras. Die Katze hatte offenbar für heute genug Blut gesehen. Sie ließ vom Sheriff ab, sprang auf den Arbeitstisch und von dort wieder auf den Kühlschrank. Dort blieb sie sitzen, machte einen Buckel und wartete.
    Er betrachtete die Verletzung, die sie ihm zugefügt hatte. Sie sah nicht aus wie ein Katzenbiss. Es war, als hätte Augusta selbst zugebissen.
    Sie deutete auf sein Blut auf dem Küchenboden. »Vergiss nur nicht, von wem das ist, Tom. Nicht, dass du wieder was durcheinander bringst …«
    Er war schon aus der Küche und auf dem Weg nach draußen, als Augusta hinter ihm herrief: »Wohin so eilig, Tom? Mit der Katze wirst du doch allemal fertig.«
    »Komme gleich wieder«, sagte er betont höflich. »Ohne Kanone kann ich das Vieh nicht erschießen.« Die Tür knallte hinter ihm zu.
    Sechs Meter vom Haus entfernt, dicht neben seinem Wagen, glitzerte die Waffe im hohen Gras. Vielleicht waren die Flecken ja doch Hühnerblut – oder das Blut von Fred Laurie.
    Scheißegal …
    Der Gaul rannte wie ein Verrückter auf der Koppel herum, bäumte sich auf und schlug die Querstange vom Zaun, dass das Holz nur so splitterte. Die Vögel hatten sich von der Panik anstecken lassen. Das Gezeter war ohrenbetäubend.
    Als er sich umdrehte, sah er in den Lauf eines alten Derringer. Augusta hatte den Finger am Abzug. Langsam stand er auf, steckte den Revolver ein und sagte beiläufig, ohne den Derringer eines Blickes zu würdigen: »Du würdest nicht auf mich schießen.«
    »Und ob ich auf dich schießen würde, Tom«, sagte sie sanft. »Und das weißt du auch.« Ihr Lächeln war breit und böse. »Findest du es wirklich so erstrebenswert, einen ganzen Tag im Krankenhaus zu liegen und dir die Kugel rausholen zu lassen?«
    Er überlegte, dass sie wahrscheinlich auf jeden schießen würde, der auf ihrem Land ein Tier bedrohte. War es denkbar, dass sie Fred im Wald gefunden hatte? In diesem Fall hatte er es nicht eilig, sie zu verhaften. Sie sollte Zeit haben, das Beweismaterial beiseite zu schaffen. Augusta hatte Recht: Freds Frau hatte eine Erholung von den Prügelorgien verdient. »Irgendwie hab ich heute keinen Appetit auf Katzenbraten. Aber ich muss Kathy finden, und zwar möglichst schnell. Wenn du mir dabei Knüppel zwischen die Beine wirfst, könnte ich vergessen, wie lange wir uns schon kennen. Ich bin inzwischen so nah dran, dass …«
    »Es geht immer noch um den Mord an Cass Shelley, nicht wahr?« Sie ließ den Derringer sinken. Ihr Lächeln erstarb. »Deine Rachegelüste sind geradezu krankhaft, Tom. So hatte sich dein Vater die Zukunft für dich nicht vorgestellt. Der Posten des Sheriffs in St. Jude hätte dein erstes politisches Amt sein sollen und keine Endstation.«
    »Das musst gerade du sagen, Augusta? Du lebst doch nur für deine Rache.«
    »Ja, aber mit Genuss und Stil. Bei mir ist Rache eine hohe Kunst, bei dir nur eine unerfreuliche Betätigung. Jetzt mach, dass du wegkommst, oder ich drücke ab.« Sie zielte auf seine Kniescheibe. »Oder glaubst du, dass du als Hinkebein die

Weitere Kostenlose Bücher