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Der steinerne Engel

Titel: Der steinerne Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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hoch, die übrigen Figuren wurden immer kleiner.
    Geflügelte Kinder.
    Staunend trat Charles in den Kreis. Sein Blick wanderte langsam über die Figuren und verfolgte Mallorys steinerne Verwandlung von dem kleinen Cherub zum ausgewachsenen Racheengel mit dem Schwert in der Hand.
     
    Der Sheriff kniete im nassen Gras und besah sich das Blut. Die Spur verlor sich einen Meter vor Trebec House. Im Augenwinkel sah er Augusta am Küchenfenster stehen und hörte die Tür im Untergeschoss schlagen. In wenigen Sekunden würde sie vor ihm stehen und ihm eine gehörige Standpauke halten, weil er mit seinem Wagen das Gras kaputtgefahren, mit seinen Auspuffgasen ihre Luft verpestet und ihre Vögel erschreckt hatte. Der Dialog bewegte sich auf eingefahrenen Bahnen. Sie hatte die alte Straße sehr aufwändig mit Bäumen blockiert und fragte ihn regelmäßig, warum er sich unbedingt an den von ihr so geschickt aufgebauten Hindernissen Kratzer im Lack holen wollte. So was brachte doch nur ein Idiot fertig … Eine gepfefferte Antwort des Sheriffs ließ nicht auf sich warten – und bald schon war der schönste Streit im Gange. Aber diesmal sah es so aus, als sollte das Spiel anders verlaufen.
    Ihr Gesicht war unbewegt wie immer. »Was hast du in meinem Garten zu suchen, Tom? Kannst du nicht anklopfen wie ein zivilisierter Mensch?«
    Ein neuer Eröffnungszug: Augusta hatte demnach andere Sorgen.
    »Fred Lauries Frau hat gemeldet, dass ihr Mann letzte Nacht nicht nach Hause gekommen ist.«
    »Freut mich für sie«, sagte Augusta. Ihre Heiterkeit hatte etwas Gezwungenes. »Das dürfte nach zwanzig Jahren die erste friedliche Nacht für sie gewesen sein.«
    Der Sheriff stand auf und klopfte sich das Gras von den Hosenbeinen. »Die Schüsse heute Nacht hast du wohl gehört?« Augusta litt an chronischer Schlaflosigkeit, das wussten alle im Ort. »Ich hab Lilith in den Wald geschickt, sie sollte ihn wegen unbefugten Betretens verhaften, weil ich verhindern wollte, dass du ihn zuerst findest. Aber Lilith sagt, dass der Mann spurlos verschwunden sei, dabei hat sie eine halbe Ewigkeit nach ihm gesucht. Und jetzt überlege ich, ob Fred am Ende den Wald mit den Füßen voran und mit einem Loch im Bauch verlassen hat.«
    »Wahrscheinlich ist er im Nachbarort und schläft in einem fremden Bett seinen Rausch aus«, erwiderte Augusta so gleichmütig, als spreche sie über den vormittäglichen Regen.
    »Und wovon soll er sich den angetrunken haben? Du weißt doch, dass Malcolm diesen Trotteln kein Bargeld in die Hand gibt, und dass er außerhalb von Owltown auf seinen Kirchengutschein was kriegt, glaube ich kaum.«
    »Du denkst also an eine Straftat?« Augusta feixte. Der Sheriff wusste, dass sie auf verschiedene Arten feixen konnte. Böse. Gefährlich. Und maliziös. Wie jetzt.
    »Wenn seine Frau ihn abgeknallt hat«, meinte Augusta, »muss ich mich bei ihr entschuldigen, weil ich sie unterschätzt und für eine graue Maus gehalten habe.« Sie schüttelte den Kopf. »Was dieser Mistkerl sie vertrimmt hat … Nicht zum Ansehen war das! Und du bist sicher, dass er sich in der Nacht hier herumgetrieben hat?«
    »Ganz sicher. Zwei Leute haben ihn mit der Flinte in den Wald gehen sehen, und ich habe in mehreren Baumstämmen Einschusslöcher gefunden, glaube aber kaum, dass die Bäume viel Gegenwehr geleistet haben.«
    »Ich weiß schon, worauf du hinauswillst. Wenn er sich selbst angeschossen hat und Hilfe brauchte, wäre er kaum hierher gekommen.«
    »Da hast du Recht.« Er wies auf die Spur, die sie großzügig übersehen hatte, als seien Blutstropfen auf ihrem Rasen etwas Alltägliches. »Vielleicht ist es ja auch gar nicht Freds Blut. Möglicherweise hat der Trottel diesmal wirklich was getroffen, und das ist hier gelandet. Ist es Kathys Blut, Augusta?« Er drückte sich absichtlich vorsichtig aus, denn falls die Blutspur tatsächlich von Fred stammte, wollte er das gar nicht so genau wissen.
    Sie sah nicht hin. »Tut mir Leid, aber da muss ich dich enttäuschen. Da hat eins der Hühner von Henry Roth dran glauben müssen. Du weißt ja, dass meine Katze ein Räuber ist. Das Huhn zahle ich Henry natürlich, und du kannst deine segensreiche Tätigkeit hier einstellen.«
    Der Sheriff ging ums Haus herum. Die Tür zwischen den Treppen stand einen Spalt weit offen.
    »Willst du die Katze festnehmen?« Augusta war dicht hinter ihm.
    Er ging weiter. Augusta überholte ihn und versperrte ihm den Weg.
    »Du setzt unaufgefordert keinen Fuß in mein Haus, Tom

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