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Der steinerne Engel

Titel: Der steinerne Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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auszutrinken, und dann den Sack mit Sachen voll gepackt, die Ira, wie sie sagte, sowieso nicht mehr anziehen würde. Ihr Sohn trug nur rote Hemden und Socken und dunkelblaue Jeans.
    Auch einen knisternden Fünfdollarschein hatte Darlene ihm gegeben. Den hatte Jimmy angerissen, um dem alten Hund was Schönes zu kaufen. Die große Scheibe Fleischkäse vom Markt, die sich in der Tasche befand, war noch warm.
    Jimmy kramte zwischen T-Shirts, Jeans und Socken in der Tasche herum, erwischte einen weißen Halbschuh aus Leder, zog ihn heraus und musterte ihn staunend. Er war so gut wie nicht getragen – keine Flecken, keine Kratzer. Der zweite Schuh fand sich ebenfalls, aber auch der war offenbar völlig in Ordnung. Was hatte sich Darlene Wooley dabei gedacht, diese fast neuen Schuhe auszumustern? Er zog einen der Treter seines Vaters aus und schlüpfte in den Schuh von Ira.
    Er passte. Ein fast neuer Schuh in der richtigen Größe.
    Weil er das Prachtstück nicht schmutzig machen wollte, steckte er es wieder zu seinen anderen Schätzen und zog die alten Treter an.
    In diesem Augenblick war Jimmy so glücklich, dass er weinen musste, aber weil der Hund ihn nicht in diesem Zustand sehen sollte, wischte er sich die Augen ab und hinkte entschlossen weiter.
    Futter- und Wassernapf im Garten des Shelley-Hauses waren leer, der Hund war nicht zu sehen.
    »Braver Hund!«, rief er immer wieder.
    Keine Reaktion.
    Der Hund war kein Streuner, er blieb immer in der Nähe des Hauses. Aber Kathy war aus dem Gefängnis geflohen, vielleicht wollte er ihr eine Weile Gesellschaft leisten.
    Jimmy legte seine Gabe in den Futternapf und bedauerte nur, dass der Fleischkäse kalt sein würde, wenn der Hund ihn fand. Hoffentlich wusste der alte Labrador, woher der Leckerbissen kam.
    Jimmy hob den Kopf, als er die erregten Stimmen, Gebete und Hallelujarufe hörte, die vom Friedhof durch die Bäume und über die kurvenreiche Straße zu ihm herüberwehten.
     
    Einige Teilnehmer der Führung knipsten noch immer wie besessen die Engelsfigur. Betty war Hals über Kopf weggelaufen, direkt an Charles und Henry vorbei, ohne sie zu bemerken.
    »Sie muss die Geschichte von dem Wunder als Erste erzählen, das ist sie ihrem Ruf als Klatschbörse von Dayborn schuldig«, erläuterte Henry .
    Charles spähte vorsichtig hinter einem Grabmal hervor. Immer mehr Leute strömten auf den Friedhof; manche hatten Rosenkränze mitgebracht. »Das wird Malcolm nicht schmecken: ein Wunder, für das niemand Eintritt zu bezahlen braucht.«
    Henry gab ihm ein Stück Huhn aus seinem Picknickkorb. Charles biss in die knusprige Keule und fühlte sich wie neugeboren. »Schmeckt großartig. Eins Ihrer Hühner?«
    Henry nickte.
    »Weiß Augusta, dass Sie Vögel töten?«
    Henry legte seine Keule weg, um die Hände zum Sprechen frei zu haben. Augusta liebe zwar Vögel, erklärte er, aber Hühner seien ein Kapitel für sich. »In ihren Augen sind das keine richtigen Vögel, sondern nur Zutaten für ein zünftiges Gumbo. Nur ein totes Huhn ist ein gutes Huhn - darin sind Augusta und ich uns einig. «
    Charles blickte zum Dach von Trebec House hinüber und dachte an das, was er bei Bettys Führung erfahren hatte. »Dass Augusta von ihrem Vater enterbt worden ist, habe ich nicht gewusst. Aber ich kann mir trotzdem nicht vorstellen, dass sie dieses schöne Haus aus purer Bosheit verkommen lässt. Ist das wirklich die einzige Erklärung?«
    Henry zuckte die Schultern.» Das Haus ist Augustas Sache. Sie kann damit machen, was sie will.«
    »Können Sie mir dann wenigstens erklären, warum Augusta so schlecht auf den Sheriff zu sprechen ist?«
    »Sie macht ihn für den Tod eines alten Freundes verantwortlich. «
    »Und wer war das?«
    »Der Mann, der Tom Jessop hätte sein können, wenn Cass am Leben geblieben wäre.«
    »Die beiden hatten was miteinander?«
    Henry nickte, » Ira ist nicht der Einzige, der Zwiesprache mit dem Engel hält. Ich habe spätabends Tom hier beobachtet und gehört, wie er stockbetrunken all das bedauerte, was er nie zu ihr gesagt hat. Aber dem Engel hat er es gesagt. In gewisser Weise ist die Beziehung zwischen den beiden jetzt enger als zu der Zeit, als Cass noch ein lebendiger Mensch war. Nur ist die Liebe zu Steinfiguren einigermaßen unnatürlich und nach meiner Erfahrung nicht empfehlenswert. Ich kann in Ihrem Interesse nur hoffen, dass Kathy nichts passiert.«
    Charles brachte seine langen Beine rasch hinter dem Grabmal in Sicherheit, als die nächste Gruppe

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